Im Radio:Selbstbehauptungen

Poetisch, kraftvoll, klug: In Marlene Streeruwitz' Hörspiel "Zimmerstunde" ringen Frauen um Worte und Identitäten - und ihren Platz im öffentlichen Raum. Vier Sprecherinnen und eine Komponistin machen das Stück zum Erlebnis.

Von Stefan Fischer

Viele Frauen in vielen Räumen. Jede für sich. Oder, nein: Da ist stets noch jemand. Ein Mann, die Eltern, Kinder. Kolleginnen, Freundinnen, Kontrahentinnen. Nicht physisch anwesend, aber doch präsent. In den Geschichten der Frauen. Diese behauptensich gegen die Anwesend-Abwesenden, gegen ihre eigene Verzagtheit. Sie wollen ihren Platz finden in dem Raum, der oft auch ein öffentlicher ist. Und doch begrenzt, durch Mauern, sichtbare wie unsichtbare.

Marlene Streeruwitz' Hörspiel Zimmerstunde ist ein poetischer, ein kraftvoller Ausbruchsversuch aus der Fremdbestimmung. Aus klar umrissenen Szenerien, die alle ihre eigenen Regeln haben. Diese Konventionen besagen: Man kann nicht überall alles zum Thema machen. Frau schon gar nicht. Und es sind auch eher nicht die Frauen, die diese Regeln festgelegt haben. Wobei, manchmal eben doch. Und so prägt ein Ringen um Worte dieses Stück und damit eines um die Definitionshoheit übers eigene Leben.

In eine reine Opferrolle kleidet Streeruwitz ihre Figuren nicht, das wäre zu fatalistisch. Diese Frauen stellen etwas dar. Auch wenn das nicht jeder sieht. Vor allem die Männer nicht. Manchmal erkennen sogar die Frauen ihre Stärken nicht. Oft jedoch schon. Und die Zwickmühle, in der sie stecken: Wer als Pinocchio geformt wurde, muss immerfort lügen - zur Selbstvergewisserung, dass sie es noch kann. Ist schließlich der Wesenskern.

Heidi Ecks, Kathrin Hildebrand, Caroline Junghanns, Hedi Kriegeskotte und Christiane Roßbach spielen diese Frauen, zur dezenten und doch einprägsam herben Musik von Martina Eisenreich. Unterscheiden lassen sich diese Figuren kaum, sie fallen im Verlauf von Bernadette Sonnenbichlers Inszenierung immer mehr ineinander. Am Ende haben wir es womöglich doch nur mit einer Frau zu tun, die sich immer wieder neu behaupten muss. Und in keiner Situation sich dem Vorwurf aussetzen möchte, dass irgendjemand über sie sagt: typisch!

Zimmerstunde, SWR 2, Donnerstag, 22.03 Uhr.

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