Doku über innere Sicherheit:Im Namen der Sicherheit?

Doku über innere Sicherheit: Gelbwesten-Protest in Frankreich: Polizeigewalt nimmt überall auf der Welt zu.

Gelbwesten-Protest in Frankreich: Polizeigewalt nimmt überall auf der Welt zu.

(Foto: Paul Moreira/Arte)

Die zweiteilige Arte-Dokumentation nimmt die Polizeigewalt in den Fokus - und lässt dabei Einsatzkräfte und Demonstranten zu Wort kommen.

Von Joachim Käppner

Debatten über Gewalt durch und gegen die Polizei sind nicht nur in den USA höchst polarisiert. Auch in Frankreich und Deutschland werden sie mit zwei Deutungsmustern geführt, die auf den ersten Blick völlig unvereinbar erscheinen.

Die Vertreter der Polizei, meist Innenbehörden und Gewerkschaften, beklagen wachsende Aggression und Gewaltbereitschaft gegenüber den Beamtinnen und Beamten, nachlassenden Respekt vor Regeln, Gesetzen und der Staatsgewalt. In der Bundesrepublik gehen dazu allerlei Statistiken um, die aber kein belastbares Gesamtbild ergeben. Dennoch haben viele Polizisten das Gefühl, als Prügelknaben einer verrohenden Gesellschaft herhalten zu müssen. Auf der anderen Seite gilt die Polizei nicht als geprügelte, sondern als prügelnde Seite. Polizeigewalt nehme zu, richte sich erkennbar gegen Minderheiten und werde selten aufgeklärt, da die Täter und Mitwisser einem Schweigekodex unterlägen.

Zwei Feindbilder, zwei Erzählungen. Beide Seiten haben einen Kern Wahrheit, beanspruchen aber alle Wahrheit für sich. Das macht ein klares Bild so schwer. Darum bemüht sich die zweiteilige Arte-Dokumentation "Im Namen der Sicherheit" von Paul Moreira, die zwar die Polizeigewalt in den Fokus nimmt, aber Fairness und Ausgewogenheit wenigstens versucht; beide Seiten kommen ausführlich zu Wort.

Hochgerüstete Polizisten stehen militanten Protestbewegungen gegenüber

Sehr deutlich wird vor allem in den Beiträgen über Frankreich während der Gelbwesten-Unruhen eine wachsende Militarisierung der Polizei. Mitunter werden Demonstrationen von Einsatzkräften mit Schnellfeuergewehren und gepanzerten Fahrzeugen begleitet (allerdings glücklicherweise doch nicht von "Panzern", wie in der deutschen Fassung zu hören ist), und das Aufgebot der Staatsmacht ist kaum noch von Armeeeinheiten unterscheidbar. Die Verantwortlichen rechtfertigen diese Eskalation ausführlich mit der leider unbestreitbaren Militanz der Protestbewegung; und doch wird deutlich, welch kostbares und gefährdetes Gut in einem Rechtsstaat die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist, die das Handeln der Polizei stets bestimmen sollte. Was herauskommt, wenn sie verloren zu gehen droht, schildert der zweite Teil der Dokumentation am Beispiel von Betroffenen von Polizeigewalt.

So sind dem Arte-Film manche Erkenntnisse zu danken, in einer freilich sitzt er einem Mythos auf. Gleich am Anfang werden am Beispiel französischer Gewerkschaftsdemos Bilder gezeigt, welche die Eskalation der Polizeistrategie belegen sollen: vor Jahrzehnten mild lächelnde Flics am Rande des Aufzugs, heute Gestalten in monströser Kampfausrüstung. Das ist aber willkürlich herausgesucht - in den Nachkriegsjahrzehnten ging gerade in Frankreich die Polizei oft mit einer Brutalität vor, die heute Staatskrisen auslösen würde: Beim "Massaker von Paris" erschoss die Polizei 1961 eine nicht geklärte Zahl von Algeriern, die gegen den Kolonialkrieg in ihrer Heimat protestierten. Und die Spezialeinheit CRS festigte während der Studentenunruhen von 1968 ihren Ruf als Prügeltruppe, die erst zuschlägt und dann fragt, falls sie überhaupt fragt. Zumindest aber ist "Im Namen der Sicherheit" trotz mancher Überspitzungen eine berechtigte Warnung, dass ein Rechtsstaat es so weit niemals kommen lassen darf.

"Im Namen der Sicherheit": Arte, Dienstag, 30. Mai, 20.15 Uhr

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