Im Gespräch: Werner Hundhausen:"Das Tarifkonstrukt kann nicht bleiben"

"Wir haben klar differenziert": Im Tarifkonflikt mit den Redakteuren beharren die Verlage auf drastischen Einschnitten für Berufseinsteiger. Im Gespräch begründet Werner Hundhausen die Standpunkte der Verlagsseite, die von Anzeigenrückgängen und niedrigeren Auflagen geprägt sind.

Sebastian Beck

Weniger Anzeigenkunden, geringere Auflagen: Werner Hundhausen ist im Tarifstreit mit den Zeitungsredakteuren Verhandlungsführer des Bundesverbands deutscher Zeitungsverleger. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung erklärt er, warum die Verlage fordern, was sie fordern und warum gerade zwischen dem Stamm der Redakteure und Berufseinsteigern ein Unterschied gemacht werden soll.

Tarifverhandlungen für Zeitungsredakteure

Werner Hundhausen, Verhandlungsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger: "Die Ergebnisse des Jahres 2010 sind im wesentlichen geprägt durch geringere Papierkosten und interne Einsparungen, aber eben nicht durch eine positive Marktentwicklung."

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Süddeutsche Zeitung: Die Gewerkschaften rechnen vor, dass ein 40-jähriger Redakteur künftig fast ein Drittel weniger verdienen wird als jetzt, wenn Ihre Vorschläge umgesetzt werden. Das werten Journalisten als Anschlag auf den Berufsstand.

Werner Hundhausen: Die Gewerkschaften gehen von einem falschen Ansatz aus. Wir haben klar differenziert zwischen den derzeit tätigen 14.000 Redakteuren und denen, die künftig einsteigen. Den Redakteuren haben wir einen Vorschlag gemacht, der auf vor allem Beschäftigungssicherung und eine befristete Senkung der Jahresabkommen um fünf Prozent vorsieht.

SZ: Für Einsteiger ist der Schnitt radikal.

Hundhausen: Wir haben keine 30 Prozent gefordert, sondern eine Gehaltsreduzierung von 7,5 Prozent für Neueinsteiger. Wir wollen darauf achten, dass die Größenordnung der Gehälter sehr dicht bei den jetzigen Bezügen im bestehenden Tarifvertrag liegt.

SZ: Trotzdem fordern Sie drastische Abstriche.

Hundhausen: Wir haben das nicht gewollt. Doch vor zehn Jahren kam es zu den ersten gravierenden wirtschaftlichen Einbrüchen. Und seit acht Jahren diskutieren wir darüber mit den Gewerkschaften. Unsere Position war stets: Das Tarifkonstrukt kann unter den gewandelten Geschäftsbedingungen nicht zu hundert Prozent bestehen bleiben.

SZ: Ist die Zeitungsbranche ein Gewerbe im Niedergang?

Hundhausen: Zeitungen müssen auch in Zukunft ihre Position im Gefüge der Medien bewahren. Wir können aber nicht so tun, als sei der Anzeigenrückgang von 43 Prozent innerhalb von zehn Jahren kein gravierender Einschnitt. Im gleichen Zeitraum sind auch die Auflagen um durchschnittlich 19 Prozent gesunken. Das ist doch der Auslöser des Nachdenkens.

SZ: Gerade im Süden Deutschlands verdienen die Verlage immer noch gut.

Hundhausen: Die Lage ist uneinheitlich. Südlich der Mainlinie ist sie etwas besser als in Nordrhein-Westfalen und im Norden. Es gibt einige mittlere und große Verlage, denen es gut geht. Genau die sind am ehesten in der Lage, mit großen Investitionen neue und beispielhafte Geschäftsmodelle zu entwickeln. Deshalb darf man sie nicht ausgrenzen. Wenn man sich die Bilanzen ansieht: Die Ergebnisse des Jahres 2010 sind im wesentlichen geprägt durch geringere Papierkosten und interne Einsparungen, aber eben nicht durch eine positive Marktentwicklung.

SZ: Journalisten befürchten, dass sich die Verleger mit Lohnsenkungen zwar Luft verschaffen, auf Dauer aber den Beruf ruinieren.

Hundhausen: Wir dürfen uns nicht beschädigen, indem wir im Vergleich anderen Branchen nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Das ist doch selbstverständlich. Deshalb haben wir etwa den Redakteuren, die bereits tätig sind, auch ein Konzept angeboten, um über drei schwierige Jahre hinwegzukommen. Wir signalisieren, dass wir die Bezüge so stabil wie möglich halten werden.

SZ: Die Konkurrenz um Studienabsolventen ist doch jetzt schon hoch.

Hundhausen: Tarifgehälter sind doch immer Mindestgehälter. Deshalb wird sich die individuelle Leistung auch in übertariflicher Bezahlung niederschlagen, das ist doch völlig klar.

SZ: Die Verlage sind kreativ im Klagen. Was neue Geschäftsmodelle betrifft, hält sich der Einfallsreichtum in Grenzen.

Hundhausen: Das ist fahrlässig dahingesprochen. Es wird von Verlagen alles mögliche versucht. Wir schauen uns alles an, was an Ideen da ist - auch in Europa und den USA. Aber es hat sich bisher nicht wirklich eine sinnvolle Idee gefunden, die geeignet wäre, das zu ersetzen, was auf der Erlösseite verloren gegangen ist.

SZ: Was wird aus dem Flächentarifvertrag, wenn die Verhandlungen scheitern?

Hundhausen: Das wäre für alle fatal - sowohl für die Gewerkschaften als auch für die Unternehmen. Dann werden Verlage die Tarifbindung auflösen und eigene Wege gehen.

Weitere Berichte zur Tarifauseinandersetzung der Zeitungsverleger und der Zeitungsredakteure finden Sie auf der Medienseite der Süddeutschen Zeitung vom 28. 7. 2011.

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