Im Fernsehen: The Debt:Die dritte Generation

In der israelischen TV-Produktion "The Debt" spielt Edgar Selge einen KZ-Arzt. Ihm ist es auch zu verdanken, dass das deutsche Publikum diesen brutal wahrhaftigen Film nun zu Gesicht bekommt.

Christopher Keil

Es kommt nicht oft vor, dass ein Schauspieler seine Filme zum Publikum trägt. Doch Edgar Selge, der immer noch so viel Theater spielt, der jahrelang als einarmiger Kommissar den Münchner Polizeiruf der ARD prägte, hat darin eine gewisse Routine entwickelt. So seltsam das klingt, weil Selge einer der profilierten deutschen Schauspieler ist.

Edgar Selge

"Sprachlos, hilflos, ängstlich" war Edgar Selge, als ihm die Rolle des monströsen Nazi-Arztes angeboten wurde. Trotzdem hat er sich dafür eingesetzt, dass der Film "The Debt" nun auf Arte zu sehen ist.

(Foto: ap)

Einmal bezahlte er Porto und Materialkosten in Höhe von 2000 Euro selbst, um eine Komödie, in der er wirklich komisch wirkte, an die Mitglieder der Deutschen Filmakademie zu bringen. Genauso wichtig wie das Publikum der Kinobesucher zu erreichen, sagte er, sei es, das Publikum der Kollegen zu erreichen, also alle, mit denen er, 62 Jahre alt, eine Weile noch arbeiten möchte.

Auch für die israelische Produktion The Debt (Die Schuld) wurde Selge aktiv. Er zeigte das 2007 entstandene Drama Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil er meinte, besonders der Film müsse gerade in Deutschland gezeigt werden. The Debt ist die Geschichte von drei Mossad-Agenten, die in Berlin den "Arzt von Birkenau" entführen und nach Israel bringen sollen. Doch der Nazi flieht. Rachel, Zvi und Ehud kehren mit einer Lüge nach Tel Aviv zurück. Sie behaupten, Max Rainer, so der Name des KZ-Teufels, erschossen zu haben. Sie kalkulieren, dass Rainer kein Interesse hat, die Wahrheit zu verbreiten.

Der Fluch der Vergeltung

30 Jahre später meldet sich der für tot Gehaltene aus der Ukraine. Die Frage, die sich stellt, lautet: Chance oder Fluch? Bekommt Rachel die Chance, ihre Schuld zu begleichen? Oder treibt sie der Fluch der Vergeltung in den Abgrund, an dem sie ihr ganzes Leben steht?

Im Frühjahr 2006 bekam Edgar Selge in München Besuch. Der Regisseur Assaf Bernstein saß bei Selges am Esstisch und sagte: "Wir werden Spaß haben." Selge war, wie er sagt, "sprachlos, hilflos, ängstlich", als ihm die Rolle des monströsen Nazi-Arztes angeboten wird. In seiner Familie, sagte er dem Gast, habe es Antisemitismus gegeben, Mitläufer, aber auch Widerstandskämpfer. Und eine Cousine lebe heute in Israel.

Bernstein und Selge entwickelten noch in München die Grundzüge der Rolle Max Rainer. Selge dachte: Das ist nicht nur ein Horrorfilm, das ist der Horror deiner eigenen Geschichte. "Ihr Juden habt noch nie töten können, ihr konntet nur sterben", sagt der Kriegsverbrecher einmal zu den Mossad-Agenten. "Werden die mich nicht am Set steinigen, wenn ich so etwas vortrage?", fragte Selge den Regisseur. "Nein", antwortete Bernstein, "sie werden dich lieben."

The Debt, ein israelischer Beitrag zum Holocaust der dritten Generation, bekam den deutschen Titel Preis der Vergeltung. Arte nahm den leisen und brutal wahrhaftigen Film, der in der Ukraine gedreht wurde, ins Programm. Selge hatte den Leiter der Redaktion Spielfilm und Fernsehfilm, Andreas Streitmüller, angesprochen und überzeugt. Weil es dafür kein Budget gab, wurde The Dept nicht synchronisiert.

Das ist das Beste, was passieren konnte. Die deutschen Fernsehmanager können sehr viel sparen, wenn sie die ausländischen Produktionen einfach untertiteln. Jeder Film hat im Original mehr Charakter als in synchronisierter Version. Und The Debt, in dem Edgar Selge so fürchterlich gut einen Deutschen seiner Zeit spielt, ist kein deutscher Film. Er hat auch keine deutsche Perspektive, obwohl er natürlich die deutsche Geschichte immer mit verhandelt.

Preis der Vergeltung, Arte, 20.15 Uhr. - An diesem Samstag zeigt Arte um 21.55 Uhr außerdem Im nächsten Leben, ebenfalls mit Edgar Selge.

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