Illner zu Hoeneß:Rote Karte in der Kreisklasse

Wenig Erhellendes, viele Fußballmetaphern: Die Debatte über das Urteil in der Steueraffäre um Uli Hoeneß bei Maybrit Illner ist eher skurril als kontrovers. Zumindest greift sie die Grundfrage beim Thema Steuerhinterziehung auf: Was ist wichtiger, Gerechtigkeit oder Kohle?

Eine TV-Kritik von Benjamin Romberg

An Fußballmetaphern mangelte es in der Berichterstattung der vergangenen Tage mit Sicherheit nicht. Da lag der Ball mal im Spielfeld von Uli Hoeneß, dann wieder in der Hälfte der Staatsanwaltschaft. Ein Eigentor hat sich der Präsident des FC Bayern freilich geschossen. Und zum Schluss, da war das Spiel dann aus. Maybrit Illner macht mit ihrer Talkrunde am Donnerstagabend munter damit weiter: "Der Millionen-Betrug - Rote Karte für Hoeneß" lautet der Titel der Sendung. Nun also auch noch der Platzverweis. Natürlich.

Bedient man sich für die Bewertung des Gesehenen ebenfalls dieser Kategorien, fällt das Urteil recht leicht. Unterhaltungsfaktor: Kreisklasse. Informationsgehalt: weit weg von Bundesliga. Dabei sind zumindest die Grundelemente für einen interessanten Meinungsaustausch vorhanden. Jürgen Trittin (Grüne) und Steffen Kampeter (CDU) vertreten verschiedene politische Lager, und mit Dominik Wichmann (Stern) und Peter Hausmann (Bayernkurier) sind, nun ja, auch unterschiedliche publizistische Klassen vertreten. Ergänzt wird die Runde durch Thomas Wenzler, Fachanwalt für Steuerrecht.

Das Problem: Das Thema gibt einfach keine kontroverse Debatte her. Denn im Grunde sind sich alle einig: Das Urteil gegen den Bayern-Präsidenten geht in Ordnung. Am Donnerstagmittag hatte das Landgericht München II Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er Steuern in Höhe von 28,5 Millionen Euro hinterzogen haben soll. Nach Meinung von Wenzler ist Hoeneß damit sogar noch gut weggekommen, er habe mit sechs oder sieben Jahren Haft gerechnet.

Was ist wichtiger? Gerechtigkeit oder Kohle?

Interessant, weil kontrovers, wird es in der Runde nur kurz, als es um Sinn und Unsinn des Instruments der Selbstanzeige geht und sich Trittin und Kampeter in einer politischen Diskussion um das gescheiterte Steuerabkommen mit der Schweiz verhaken. Letzteres sollte dafür sorgen, dass die Guthaben deutscher Steuerhinterzieher einmalig pauschal besteuert werden. Dafür wären diese straffrei und anonym geblieben.

Auch Hoeneß hatte auf das Abkommen gesetzt: Seine Schweizer Bank Vontobel soll bereits eine Einmalzahlung von etwas mehr als sechs Millionen Euro errechnet haben, mit der sich der Bayern-Präsident hätte freikaufen können - der Gerichtsprozess und die nun drohende Haftstrafe wären Hoeneß erspart geblieben.

Doch das Abkommen scheiterte am rot-rot-grünen Widerstand im Bundesrat. Eine Entscheidung, die Trittin immer noch für richtig hält: "Wo kommen wir hin, wenn Menschen, die Millionenschäden angerichtet haben, anonym bleiben dürfen?", sagte der Grünen-Politiker. CDU-Mann Kampeter, Staatssekretär im Finanzministerium, sieht das eher pragmatisch und trauert den entgangenen Einnahmen hinterher. Dem deutschen Steuerzahler sei ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden, kritisiert er.

Die beiden Politiker berühren damit den Grundkonflikt bei der Verfolgung von Steuerhinterziehern: Darf man Kriminellen eine Art Ablasshandel anbieten, um dem Staat Einnahmen zu verschaffen, die sonst wohl größtenteils verloren wären? Oder anders ausgedrückt: Was ist wichtiger - Gerechtigkeit oder Kohle?

Bitte keine Verlängerung

Ähnlich verhält es sich mit der Selbstanzeige. Kampeter hält sie für ein "fiskalisch sinnvolles Instrument". Trittin spricht von einem "ungewöhnlichen Konstrukt", weil es Betrügern Straffreiheit ermögliche. Allerdings nur dann, wenn diese wirksam ist - die zentrale Frage im Fall Hoeneß. Und die Richter haben entschieden: Nein, ist sie nicht. Bei Illner geht es auch darum, ob eine Selbstanzeige überhaupt wirksam sein kann angesichts der Komplexität der Materie. Die Akten von Hoeneß' Bank umfassen 70 000 Seiten. Wer soll da schon durchblicken, könnte man fragen.

Eine Selbstanzeige müsse schon eine "Punktlandung" sein, erklärt Steuerfachmann Wenzler. Dieses Mal kommt Trittin mit der Pragmatismus-Keule. "Die Komplexität reduziert sich massiv, wenn man seine Steuern regelmäßig zahlt", gibt er zu Bedenken.

Ansonsten beschränkt sich Illner auf den Versuch, Sachfragen zu klären. Fragen, die entweder schon geklärt wurden oder nicht geklärt werden können, zumindest nicht in dieser Runde und nicht zu diesem Zeitpunkt. Wie viel Geld parkte Hoeneß tatsächlich in der Schweiz? Wie hoch waren die Gewinne? Wie schlimm die Verluste? Und: Was hat er sich eigentlich dabei gedacht?

Das Selbstverständnis des FC Bayern scheint nicht erschüttert

Stern-Chefredakteur Wichmann berichtet noch einmal von den Recherchen seines Magazins, die Hoeneß zur Selbstanzeige getrieben haben sollen, kann aber auch nicht zur Aufklärung beitragen. Lediglich Trittin präsentiert noch ein paar Fakten zum Thema: Was man sich von dem Geld, das Hoeneß hinterzogen hat, alles leisten könnte (28 Kitas, 600 Jahresgehälter von Lehrern, 36.000 Jahreskarten beim FC Bayern).

In Erinnerung bleiben wird vielleicht nur der teils skurrile Auftritt von Hausmann, Chefredakteur des Bayernkuriers und selbstverständlich auch Anhänger des Hoeneß-Klubs. Er beweist, dass auch die Affäre um den Präsidenten des Vereins das Selbstverständnis der Bayern nicht erschüttern kann, wenn er sagt: "Der FC Bayern hat mehr Mitglieder als die Grünen und die FDP zusammen."

Und dann waren da natürlich noch die Fußballmetaphern, mit der die Diskutanten nicht sparten. Jemanden moralisch ins Abseits stellen, das geht gar nicht. Die Verteidiger von Hoeneß, die spielen in der Champions League, und für die Staatsanwaltschaft ist es ein Elfmeter ohne Torwart.

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht: Bitte keine Verlängerung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: