"Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" bei Amazon:Ausgeschlachtet

I Know What You Did Last Summer; Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Madison Iseman im Serien-Remake.

(Foto: Michael Desmond/Amazon)

Amazon reanimiert den Teenie-Horrorfilm "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" als Serie.

Von Sofia Glasl

Lippenstiftnachrichten auf Spiegeln sind Allzweckwaffen. In romantischen Komödien gerne in Form einer Telefonnummer oder eines Kussmundes hinterlassen, haben sie sich in Horrorfilmen zu bedrohlichen Vorboten der unvermeidbaren Katastrophe entwickelt. Allein die Tatsache, dass es dem Täter gelingt, unbemerkt bis ins Schlafzimmer seiner Opfer vorzudringen und den Spiegel zu beschmieren, löst nervöse Schulterblicke aus.

Einer der jüngeren Klassiker dieser Spiegelpoesie ist titelgebend: "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" liest die Protagonistin in der gleichnamigen Serie, einer Neuauflage des Splatter-Films aus dem Jahr 1997. Auch hier begeht eine Gruppe Jugendlicher nach einem nächtlichen Verkehrsunfall Fahrerflucht, auch hier kommt jemand zu Tode, auch hier verfolgt ein Unbekannter die Gruppe ein Jahr später und trachtet ihr nach dem Leben.

Die Teenager haben so viele Probleme, dass es den Messermörder eigentlich nicht mehr braucht

Da enden dann jedoch die Übereinstimmungen, denn dieses Update nimmt sich allerlei Freiheiten, gerade auch was die Kommunikation zwischen seinen Figuren anbelangt. Die ist weitaus komplexer und engmaschiger als die analogen Nachrichten auf Spiegeln, Zetteln und anderen Untergründen. Natürlich sind die Jugendlichen dauer-online und tragen ihre mehrdimensionalen Identitäten und Geheimnisse selbstbewusst zur Schau - ein Ansatz, der versucht, aus dem recht sterilen Figurenstrickmuster der Teenie-Slasher-Ära reale Personen zu machen.

Endlich haben nicht wieder nur weiße heterosexuelle Jugendliche Probleme. Im Vergleich wirkt die alte Clique von 1997 um Jennifer Love Hewitt, Sarah Michelle Gellar und Freddie Prinze jr. wie ein Seniorenclub - ist sie nach 24 Jahren ja auch schon beinahe. Insta, TikTok und Only-Fans-Pornokanal verfolgen die Teenies der Serie dann auch über den Tod hinaus, und man fragt sich, ob es hier überhaupt noch einen Messer schwingenden Schlitzer braucht, der ihnen das Leben zur Hölle macht. Das können sie selbst eigentlich auch schon ganz gut.

I Know What You Did Last Summer; Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Eine Fahrerflucht ist wie in der Kinovorlage der Anfang dieser Horrorgeschichte.

(Foto: Michael Desmond/Amazon)

Unglücklicherweise scheint die Showrunnerin der Serie, Sara Goodman, diese Frage auch nicht recht beantworten zu können, zumindest nicht in den vier Folgen, die von Amazon vorab zur Sichtung zur Verfügung gestellt wurden. Bis dahin ist die Handlung bereits mit solch hanebüchen in sich verschachtelten Geheimnissen, doppelten Lottchen und Namensverwechslungen aufgeblasen, dass sie in ihre Einzelteile zu zerfallen droht. Aus einem Update wird hier schnell ein Ausschlachten - sowohl der bewährten Erzählmuster des Films aus den Neunzigerjahren, als auch der vermeintlich realen Sorgen und Nöte der heutigen Jugendlichen.

Das ist schade, weil Goodman sich offensichtlich bemüht, das eigentlich zentrale moralische Dilemma emotional in die Gegenwart zu übersetzen. Dabei verfranst sie sich jedoch in zu vielen Details, die den eigentlichen Konflikt überlagern - bis hin zu dem Punkt, an dem gar nicht mehr klar ist, was genau der Mörder denn eigentlich meint, wenn er ominös "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" buchstabiert.

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast, acht Folgen, auf Amazon Prime

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