Ibsen im Fernsehen:Die Verträumten

Andreas Kleinert verfilmt "Hedda Gabler" und Luc Bondy verlässt in seinem letzten Film mit Isabelle Huppert die Bühne des Pariser Théâtre de l'Odéon. Arte zeigt jetzt beide Produktionen.

Von Benedikt Mahler

Ein spleeniges Projekt hatte Luc Bondy im Sinn, als er im Sommer 2014 das Théâtre de l'Odéon in ein großes Fernsehstudio verwandelte. Das Rokoko-Foyer wurde zur Vorhalle eines bourgeoisen Anwesens, die Kantine zur Gesindestube, der Balkon, wo Bühnentechniker gern Zigaretten rauchen, zu einer charmanten Dachterrasse mitten in Paris. Bondy wollte einen Film aus seiner bejubelten Marivaux-Inszenierung Falsche Vertraulichkeiten machen, deshalb nahmen er und sein hochkarätiges Ensemble das Haus vier Wochen in Besitz. Wenn Schauspielerinnen wie Isabelle Huppert und Bulle Ogier sich auf solch ein verträumtes Abenteuer einlassen, dann müssen der Regisseur, sein Film oder beides etwas ganz Besonderes sein. Luc Bondy war etwas ganz Besonderes.

Theater und Film sind symbiotisch verbunden. Mit Fernsehen geht das auch

Bondy starb 2015. Die Verfilmung von Falsche Vertraulichkeiten war sein letzter Akt. Darin spielt Huppert die frühverwitwete Araminte aus dem Marivaux-Klassiker. So verführerisch, wie sie das macht, ist es kein Wunder, dass Louis Garrel als mittelloser Dorante sein Herz an sie verliert. Auf Gegenliebe hoffend, verdingt er sich bei der reichen Witwe als Privatsekretär.

Ibsen im Fernsehen: So ein Theater: Isabelle Huppert war gerade für den Oscar nominiert; mit Louis Garrel spielt sie Ibsen bei Arte.

So ein Theater: Isabelle Huppert war gerade für den Oscar nominiert; mit Louis Garrel spielt sie Ibsen bei Arte.

(Foto: Jess Hoffman/Arte)

Die Komödie hat Bondy auch im Film fulminant inszeniert. Eigenwillige Kameraperspektiven und das originelle Set schaffen eine schwindelerregende Filmarchitektur. Bilder in cremefarbenes Licht getaucht sind das, Bondy hat sie rhythmisch aneinandergereiht. Überall im Theater wurde gedreht, nur die letzte Szene fand auf der Bühne statt: Madame liegt auf dem Kaminsims, der arme Junge ihr zu Füßen, während die Kamera sich von den beiden entfernt, die Kulissen auseinandertreiben und das goldene Bühnenportal sichtbar wird. Gern würde man applaudieren.

Arte sendet die TV-Produktion Falsche Vertraulichkeiten nun zum ersten Mal, als Hommage an den Großmeister, aber auch um zu zeigen, dass Theaterfilme mehr sein können als eine Bühnenaufzeichnung in der Totalen. Das Label Theaterfilm schreckt Zuschauer eher ab, Theaterfilme finden schwerer einen Verleih, beim Fernsehen bekommen sie meist schlechte Sendezeiten. Das ZDF gab seinen Theaterkanal zugunsten von ZDF Kultur auf, auch der Kanal ist mittlerweile eingestellt.

Ibsen im Fernsehen: Und Susanne Wolff ist an diesem bemerkenswerten Fernsehabend als Hedda zu sehen.

Und Susanne Wolff ist an diesem bemerkenswerten Fernsehabend als Hedda zu sehen.

(Foto: Martin Rottenkolber/ZDF)

Jetzt hat Arte diesen deutsch-französischen Theaterabend programmiert, der mit der Ibsen-Verfilmung Hedda von Tatort-Regisseur und Grimme-Preisträger Andreas Kleinert eröffnet wird. Gemeinsam mit ZDF und Arte hat sich Produzent Leopold Hoesch an ein ambitioniertes Projekt gewagt. Theater als Film in Kooperation mit dem Schauspiel Köln sollte es sein und in Nordrhein-Westfalen entstehen. Hoesch, der bislang fast ausschließlich Dokumentarfilme produzierte, besetzte die Rolle der Hedda mit Susanne Wolff. Die kennt der TV-Zuschauer aus der Serie Morgen hör ich auf mit Bastian Pastewka; die Hedda hat sie am Hamburger Thalia Theater verkörpert. Mit ihr spielen unter anderem Godehard Giese und Wanja Mues. Hedda steht zwischen zwei Männern, von denen sie den einen liebt und den anderen geheiratet hat. Die beiden Herren Mediziner sind nicht nur Konkurrenten, wenn es um diese Frau geht. Unfreiwillig sitzen sie eines Abends in Heddas Anwesen an einem Tisch, dazu noch der Chef von Heddas Mann, der das Rennen um seine Nachfolge eröffnet hat. Bei Ibsen sind die Männer Kulturwissenschaftler, hier sind sie Neurologen, die den menschlichen Schmerz erforschen. Ein Grundthema bei Ibsen, das der Film fabelhaft abstrahiert. Kleinerts Mut zur Eigenständigkeit hat sich ausgezahlt. Hoesch hat noch viel mit dem Film vor. Er möchte ihn in Schauspielhäusern als "kinematografisches Gastspiel" zeigen.

Überhaupt sind und waren Theater und Film symbiotisch verbunden. Wenn etwa der Sherlock-Star Benedict Cumberbatch als Hamlet am Barbican Theatre in London auf die Bühne tritt, ist nicht nur der ganze Saal ausverkauft, sondern auch noch einige Kinos auf der ganzen Welt, die das Spektakel live auf die Leinwand übertragen.

Hedda, Arte, 21.50 Uhr, Falsche Vertraulichkeiten, 23.35 Uhr.

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