Journalismus:"Er zieht Ihr Niveau ins Unendliche hinab"

Humboldt Forum vor der Eröffnung

Gelungene Architektur? Oder eher ein "monumentales Abluftgitter"? Die Ostfassade des Humboldt-Forums.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Das neue Stadtschloss in Berlin erntet viel Kritik. Einer der Architekten forderte nun, den FAZ-Kulturjournalisten Niklas Maak wegen seiner Berichterstattung aus der Redaktion "zu entfernen".

Von Elisa Britzelmeier

Vielleicht lag es an der Formulierung "monumentales Abluftgitter". Als solches hat der Architekturkritiker Niklas Maak die Ostfassade des wiederaufgebauten Berliner Schlosses bezeichnet. Vielleicht war es auch der Schluss seines Artikels, in dem er nahelegt, dass in der Debatte um das Humboldt-Forum Leute verschaukelt werden. Etwas an dem am 2. Oktober in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienenen Text jedenfalls muss den Architekten Thomas Albrecht in Rage gebracht haben. Und zwar derart, dass er forderte, den ihm missliebigen Autor zu "entfernen."

Es ging in dem Artikel um das Berliner Schloss und die Diskussionen rund um den Wiederaufbau des Gebäudes, über den seit Jahren gestritten wird. Ein Symbolort, wie Maak schreibt, an dem einst ein preußisches Königsschloss stand, das dann, vor allem aus ideologischen Gründen, von der DDR-Regierung gesprengt wurde, um den Palast der Republik zu errichten, der wiederum, auch aus Asbest-Gründen, nach dem Ende der DDR abgerissen wurde. Nach hitzigen Debatten ist hier in den vergangenen Jahren eine Rekonstruktion dieses Stadtschlosses entstanden. Ein Bau, der innen modern und (bis auf die "Abluftgitter"-Ostfassade jedenfalls) außen historisch anmutet und an diesem Mittwoch nun als Humboldt-Forum eröffnet wird, digital zumindest. Die Debatten sind damit allerdings nicht vorbei.

Entfernen, wie einen Fleck - oder ein missliebiges Bauwerk

Das hat mit den Objekten zu tun, die im Humboldt-Forum gezeigt werden sollen, etwa Ausstellungsstücke aus der Kolonialzeit, die für manche Raubkunst sind. Das hat aber auch mit dem Bau an sich zu tun und der Frage, ob das mit der historischen Rekonstruktion wirklich die beste Idee war. Oder wie es in Maaks FAZ-Artikel heißt: "Reparierte man hier eine zerstörte Stadt und machte sie wieder lebenswert, indem man den alten Stadtgrundriss, die traditionellen Stadträume wiederauferstehen ließ? Oder möblierte hier eine Generation alter weißer Männer die Stadt nach ihrem Geschmack und verbaute dem vielfältigen jungen Berlin seine Freiräume?"

Beim Architekten Albrecht kam das nicht gut an. In einem Brief, der an die Herausgeber der FAZ adressiert ist, brachte er seinen Unmut zum Ausdruck. Albrecht, muss man wissen, ist nicht nur FAZ-Leser, sondern mit seinem Architekturbüro Hilmer & Sattler und Albrecht seit 2009 an der Planung für den Wiederaufbau des Schlosses beteiligt. In seinem Schreiben, das der SZ vorliegt, ist die Rede von einem "hämischen Artikel", der das Berliner Schloss "lächerlich" mache. Der seit vielen Jahren hoch renommierte Architekturjournalist und -buchautor wird indirekt als dumm bezeichnet. Dann empfiehlt Albrecht den Vorgesetzten Maaks: "Sie müssen Herrn Maak aus Ihrem Blatt entfernen, er zieht Ihr Niveau ins Unendliche hinab."

Entfernen? Wie einen Fleck?

Dass Kritisierte mitunter das Maß verlieren, kennen Journalistinnen und Journalisten. Beim Thema Humboldt-Forum sind die Emotionen besonders heftig, erst recht, wenn die Berichterstattung schlosskritisch ausfällt. Auch der Kritiker dieser Zeitung ist schon angegriffen worden, was so weit gehen kann, dass in Briefen an die Chefredaktion behauptet wird, der Journalist verbreite grobe Unwahrheiten - ausgerechnet mit einem Artikel, der auf verbürgten Äußerungen eben dieses Briefeschreibers beruht. Es geht aber im Kern nicht um mehr oder weniger berechtigte Kritik, sondern darum, dass offensichtlich Außenstehende so weit gehen, Einfluss darauf nehmen zu wollen, wer in der Redaktion wie über sie schreibt.

Es gab Zeiten, daran erinnert auch Maak in seinem Text über den Vorfall, in denen Journalisten aus Redaktionen entfernt wurden. Zeiten, denen die ursprüngliche Idee des Humboldt-Forums entgegensteht. Auf Weltoffenheit will das Projekt ausgerichtet sein, auf die Gleichwertigkeit der Kulturen, auf Toleranz also, auch gegenüber Meinungen, so viel ist zu hoffen, die nicht den eigenen entsprechen.

Journalismus: Digital teileröffnet: die Rekonstruktion des Berliner Schlosses, das das Humboldt-Forum beherbergt.

Digital teileröffnet: die Rekonstruktion des Berliner Schlosses, das das Humboldt-Forum beherbergt.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Was genau mit der Formulierung gemeint war, dazu will Albrecht sich auf Anfrage der SZ nicht äußern. In seinem Brief appelliert er an das Verantwortungsbewusstsein der Herausgeber "für unseren Staat, für unser Gemeinwohl und den Gemeinsinn", es klingt beinahe so, als habe eine Zeitung so systemstabilisierend zu berichten wie er systemstabilisierend baut.

Eine "abenteuerliche Forderung", sagt FAZ-Herausgeber Kaube

Albrechts Schreiben zirkuliert bei Berliner Architekten und Politikern, kam aber offenbar bei den Herausgebern der FAZ nie an. Zumindest teilt der für das Feuilleton zuständige Herausgeber, Jürgen Kaube, auf Anfrage mit, er wisse von dem Schreiben, "diese abenteuerliche Forderung" sei bei ihm selbst aber "bislang nicht eingetroffen." Und er fügt hinzu: "Das erfüllt mich einstweilen mit der Hoffnung, dass Herr Albrecht diesen Brief nicht nur geschrieben und herumgezeigt, sondern auch einmal durchgelesen und dann vernünftigerweise nicht abgesendet hat."

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