Bad Cannstatt ist ein eigenartiger Ort. Von den Kelten begründet und den Römern befestigt, ist die Stadt mit ihren Fachwerkhäusern und wunderbaren Weinhängen heute eingerahmt von Hässlichkeiten: vom Kanal, in dem der Neckar trübe dahinfließt, von großen Bundesstraßen und flussaufwärts vom Fußballstadion und "vom Daimler": Die Verwaltungszentrale des Autobauers ist hier, dazu ein großes Werk.
Wunderschön, wunderhässlich ist Cannstatt und trotzdem oder deswegen sind die Einwohner stolz, viel stolzer als die Leute in Stuttgart auf der anderen Seite des Neckars, zu denen man verwaltungstechnisch gehört. Egal, ob die vielen Schaffer vom Daimler, wie man hier sagt, die oft von anderswo kommen, oder die alten Einheimischen.
Solche Orte, an denen sich Extreme trefen, sind prädestiniert für gute Geschichten, und so ist es eine gute Idee des SWR gewesen, genau hier, in diesem Milieu eine kleine Fernsehserie zu beheimaten, die an diesem Dienstagabend in der ARD startet: Huck, so wie auch der Protagonist heißt, ein Ex-Bulle, der - wie seine Drehbuchschreiber ersonnen haben -, ein "Problem mit Autoritäten" hat und deswegen nun sein eigener Herr geworden ist, als Privatdetektiv.
Die Themen liegen auf der Hand an diesem Spielort: Wutbürger gegen Immobilienbesitzer, Weinskandal, eine türkische Hochzeit.
In Folge 1 geht es um einen Wettbetrug und eine Entführung
Und auch in der ersten der acht Folgen muss Huck gleich ein Cannstatter Thema aufgreifen, den Fußball. Hauptautor Helmut Schweiker und seine drei Co-Autoren haben sich dabei die augenfälligste künstlerische Freiheit erlaubt: VfL heißt der Fußballverein, nicht VfB. Was vielleicht auch daran liegt, dass das Thema heikel ist: Um Wettbetrug und eine Erpressung geht es in dieser Folge.
Die Freundin von Torwart Stani ist entführt worden, und das aufgerechnet vor einem Pokalspiel. Um sie heil wiederzubekommen, soll Stani Tore reinlassen, auf dass das Spiel verloren gehe. Im echten Fußball wäre so eine Aufforderung derzeit übrigens gar nicht nötig - der VfB hat einen richtig miesen Lauf.
Der phlegmatische Huck, vortrefflich gespielt von Patrick von Blume, hat erst gar keine Lust auf den Auftrag. Aber seine Geschäftspartnerin schreibt 400 Euro auf ein Zettelchen - pro Stunde. "Was, echt?", fragt Huck - für das Geld greift der ewig klamme Detektiv dann doch an.
Mit an seiner Seite, ungewollt und doch notwendig, sein Freund Cem: Der hat ein Auto, Huck nicht. Zudem ist Cem (Aykut Kayacik) eingefleischter VfL-Fan, seine Jungs werden am Ende auch mithelfen, den Bösewicht festzusetzen: "Du kannst nach Hause fahren", skandieren sie am Ende.
Im Hauptjob ist Cem Gemüsehändler mit eigenem Lädle und sortiert mit schwäbischer Akkuratesse die Orangen seiner Auslage, wie überhaupt alles recht schwäbisch geraten ist: die schönen Panorama-Aufnahmen von Stuttgart, dieser im Rest des Landes oft zu Unrecht geschmähten Stadt, dieses knödelnde Idiom, das in einem Maße zu hören ist, bei dem auch Zuschauer außerhalb des Südwestens verstehen, worum es geht: Patrick von Blume, gebürtiger Ravensburger, kann Schwäbisch wie Hochdeutsch.
Mit Schwäbisch auf Verbrecherjagd
Mitunter mit einem Hocker in der Hand und keiner Knarre, geht Huck schließlich auf Verbrecherjagd, verrenkt sich bei seinen Recherchen zwischenzeitlich den Rücken, macht die ausgeliehene, teure Wanze kaputt und treibt damit seinen Elektronikhändler zum Wahnsinn: "Was haschn gmacht??"
Huck und Cem, das sind keine Profis. "Schau ich aus wie ein Gewinner?" fragt der Ermittler einmal so lakonisch wie rhetorisch, der gern in seinem Sherlock-mäßig daherkommenden Fachwerkwohnbüro auf dem Sofa hockt, neben dem nervigen, verschlafenen Neffen Caspar.
Natürlich stocken die Ermittlungen irgendwann, da empfiehlt der überforderte Huck dem verzweifelten Torwart Stani, auf die Forderung der Erpresser einzugehen, der Freundin wegen. Und als der schließlich zustimmt, sagt der Ermittler den schönen Satz: "Karrieren gehen immer wieder von vorne los." Die Liebe hingegen: "Wenn sie vorbei ist, ist sie vorbei."
Es ist keine so angestrengt ernsthafte Serie wie etwa der Fall für Zwei, mitunter ist Huck sogar gute Comedy: Die stets herausfordernde Gratwanderung zwischen Humor und Krimi gelingt fast immer, wunderschön in Bilder gesetzt von Kameramann Matthias Papenmeier.
Eines ist natürlich angenehm - und vielleicht auch das einzig irritierende: eine lässige Figur wie Huck, mit diesem offenen Kragen, im korrekten Schwaben? Das ist dann doch schwer vorstellbar. Aber das ist ja das schöne am Fernsehen: dass es Leichtigkeit herstellen kann, wo sie im echten Leben sonst eher selten ist.
Huck, ARD, dienstags, 18.50 Uhr.