Hubert Burda: "Die Bunte-Story":That's new, Pussycat

Das Leben als Jamsession: Der Verleger Hubert Burda hat ein Buch über seine Zeit als "Bunte"-Chefredakteur geschrieben. "Die Bunte-Story" soll zeigen: Man muss sich nicht schämen für Zeitschriften, die das Volk mag.

Hans-Jürgen Jakobs

Bambi Awards

Der Verleger Hubert Burda bei der Verleighung des "Bambi" 2005: "Dieser Clash zwischen High und Low ist in Wahrheit das Thema des Jahrhunderts."

(Foto: Getty Images)

Erinnert sich jemand noch an die Eagles? An die US-Rockband und ihr "Hotel California", den Hit des Jahres 1976? Ein Lied über den Geruch von Gras, eine hübsche Frau und ein Paradies, das womöglich keines ist. Für den Münchner Verleger Hubert Burda, der seit geraumer Zeit im sehr dunklen Anzug seinen Geschäften nachgeht, hat "Hotel California" noch heute Symbolkraft: Passt die Pop-Hymne doch zur besten Zeit seines Lebens, als er Chefredakteur des Burda-Familienflaggschiffs Bunte war (1974 bis 1986), dem einstigen Königs- und Märchenblatt, das er zur Leute-Zeitschrift umstrickte, für die er gestandene Journalisten wie Will Tremper in die badische Heimat holte und keck behauptete: "Offenburg ist Kalifornien."

Hotel California also. Es bekommt eine Würdigung in dem Erinnerungsbuch, das sich Hubert Burda, 72, Herr der bunten Blätter, Verleger von Freundin, Freizeit-Revue, Focus, Lisa und wie sie alle heißen, einen Monat lang von der Seele geschrieben hat: "Die Bunte-Story". Im Chefbüro in der Münchner Arabellastraße redet er über Buch, Bunte, Burda und meißelt für die Nachwelt: "Es gibt nichts Schöneres als die Aufgabe eines Chefredakteurs. Das liegt an der Atmosphäre einer Redaktion, in der jeden Tag etwas Neues entsteht. Der Sound und der Beat entscheiden über den Erfolg. Das ist wie bei einer Jamsession." Der Kapellführer hing dazu Zettel mit Leitsätzen wie "What's new, Pussycat?" oder "Journalismus ist Literatur in Eile" im Redaktionsraum auf.

Solche Sounds sind eher selten. Das Leben als Jamsession, das ist Burdas Thema, das spontane Finden eines Rhythmus, das Aushalten der Spannung, die sich daraus ergibt, dass ein links angehauchter, malender Kunsthistoriker mit Polit- und Literatenfreunden die große Bewährung in einem Verlag finden musste und muss, der für Lieschen Müller schreibt, wie das Kontrahent Henri Nannen vom Stern einst ausdrückte. Er sei damals "mit sich ins Reine gekommen", sagt Burda über die Bunte-Jahre.

"Media is art"

Einerseits war da die Hochkultur, die er persönlich schätzt, andererseits die Trivialkultur des Verlags. "Ich begriff: Dieser Clash zwischen High und Low ist in Wahrheit das Thema des Jahrhunderts. Schon Picasso und Braque haben sich damit auseinandergesetzt." Und natürlich war da die Begegnung mit dem New Yorker Pop-Art-Helden Andy Warhol, der die Massenproduktion des an Fahrt gewinnenden Kapitalismus zum Museumsgegenstand machte. "Expose yourself!", forderte Warhol, stell dich aus, zeig dich. Der Mann von der "Factory" ziert mit Burda das Cover.

Im Grunde handelt es sich bei dem Buch um eine episodische Verteidigung der großen Unterhaltung (Hollywood! Google!) und des eigenen Seins. Sie soll klarmachen: Man muss sich nicht schämen für Zeitschriften, die das Volk mag: "Media is art." Es ist, insgeheim, auch ein Regenbogen-Gegenbild zur Ideologie der 1960er-Jahre, mit der Frankfurter Schule und der Kritik an der "Bewusstseinsindustrie", was Burda interessierte, aber nervte. Seine Familie bot ihm 1964 an, mit Geld abgefunden zu werden und eine Kunstgalerie aufzumachen, erzählt er, aber dann ist das ja doch etwas geworden mit den Journalen.

Überhöhung des Trivialen

Der Autor breitet sein Leben in lockeren Miniaturen aus, alles gut lesbar wie einst "Mein Rendezvous" bei Bunte, und es bleibt genug Raum für die Würdigung des zweiten Lieblingsmotivs der Burdaistik (nach High und Low), und das ist der "Iconic Turn", der Siegeszug des Bildes. Eine weite Linie wird gezogen von Silvia Sommerlath, dem "Schneewittchen", das Schwedens Königin wurde, zum Personenkult des Fernsehens und zu Facebook, der Plattform für Warhols Fünf-Minuten-Berühmtheiten, wo die Menschen keinen Mittler, also keine Journalisten brauchen, wie Burda fürchtet. Schon der um Aufträge besorgte Rubens musste Königstöchter schöner malen, als sie waren, und heute hübschen sich die Menschen im Internet über Instagram auf, merkt er an.

Sein größter Trick ist die verblüffende historische Analogie. Damit macht er Eindruck. Dass bei aller Überhöhung des Trivialen andere Wochenobjekte wie Spiegel oder Zeit einen ganz anderen Einfluss auf politische Kultur und Klasse haben, weil sie Themen setzen, bleibt ungesagt. Stattdessen ein grober Satz: "Es gibt eine große Fraktion unter Journalisten, für die das politisch Korrekte als eine Art Religionsersatz herhalten muss."

In seiner Selbstanalyse ist Burda ehrlich. Er bekennt, ihm sei lange wenig gelungen, man hätte ihn früher für einen "eher bequemen Nichtstuer mit reichem Background" halten können. Vor "Hotel California". Kalifornien habe ihn schon als 13-Jährigen fasziniert, sagt Burda, später habe er sich Hollywood angeschaut und das "robuste Geschäft" begriffen: "Doch die Filmwirtschaft ist nicht mein Milieu geworden, obwohl meine Frau Maria da mittendrin ist." Maria, das ist Frau Furtwängler, die Tatort-Kommissarin. "Ich liebe mehr das Atelierhafte der Start-ups im Silicon Valley", fügt der Verleger noch an und meint Besuche bei den anderen Internet-Figuren der Westküste, die er aufs Heldenpodest stellt. Hier bleibt das Buch gänzlich unkritisch. Im Gespräch aber wird deutlich, wie sehr er, der Verleger mit dem journalistischen Impetus, unter der ökonomischen Misere der Online-Medien leidet.

Die haben Publikum, aber kein Geld.

"Als mir ein Google-Manager einmal gratulierte, weil wir mit Google-Anzeigen auf unseren Webseiten 3,6 Millionen Euro erlösten, antwortete ich: ,Hey, wie soll ich da verdienen? Meine Redaktionen kosten 32 Millionen'", erzählt er. "Wir Verleger sind selbst schuld an den Finanzierungsproblemen des Online-Journalismus. Wir waren alle zu fasziniert von Google. Die haben als Einzige ein gutes Geschäftsmodell durchgesetzt. Für Verlage blieben nur lousy pennys." Aber auch das Monopol von Google bleibe nicht ewig, deutet Burda an. Über Erlöse und Wertsteigerungen von Online-Beteiligungen wie Zooplus und Xing will er die journalistischen Produkte absichern. "Das habe ich in petto. Es ist beruhigend, solche Rücklagen zu haben."

Burda hat all die Brüche seiner Biografie, die Selbstzweifel und Selbstbehauptung, als Rücklage. Davon zehrt er. Seine Bunte-Story erscheint am nächsten Montag, dann schmeißt er in einer Bar eine Party. Elvis Presley wird zu hören sein (Burda summt "Don't be cruel"), sicher die Eagles mit ihrer Hotel-California-Zeile: "Und ich dachte mir: ,Das hier ist entweder das Paradies oder die Hölle.'" Hubert Burdas Bilanz: "Ich wusste: Aus der Illustriertennummer kannst du etwas anderes machen."

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