Intendantenwahl beim HR:Soko Frankfurt

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Stephanie Weber, Betriebsdirektorin des HR, und Florian Hager, stellvertretender ARD-Programmdirektor, treten an diesem Freitag als Kandidaten an. Filmemacherin Ina Knobloch (re.) möchte ebenfalls antreten. (Foto: HR/SR; Alexander Kluge/SWR; Frank Rumpenhorst/dpa)

Der HR bekommt an diesem Freitag eine neue Senderführung. Zwei Kandidaten stehen zur Wahl. Und eine Außenseiterin kämpft weiter.

Von Gianna Niewel

Der Hessische Rundfunk hat seinen Hauptsitz im Nordosten von Frankfurt, dort wo die Stadt so langsam in Doppelhaushälften zerfällt. Von außen sieht man Sendemasten, den Bus der HR-Sommertour, Gebäude mit Lamellenvorhängen. Man sieht auch ein rundes Gebäude, das 1948 noch als Plenarsaal des Bundestages geplant war, aber dann wurde Bonn die Hauptstadt und im Rundbau spielt seither das Sinfonieorchester.

Ende Februar geht der bisherige Intendant Manfred Krupp in Rente, und so geht es hier am Bertramshof nicht nur um die Vergangenheit des Senders, sondern vor allem um dessen Zukunft: Wer wird der neue Chef, wer wird die neue Chefin?

Gemeinsam mit Radio Bremen und dem Saarländischen Rundfunk (SR) ist der Hessische Rundfunk eine der eher kleinen Sendeanstalten in der ARD: 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, plus 940 ständige Freie, 90 Auszubildende. Die arbeiten nicht nur im Frankfurter Funkhaus, sondern in fünf weiteren Studios zwischen Kassel und Darmstadt. Sie machen den HR zu einem Sender, der - obwohl er eher klein ist - noch viele Formate selbst produziert, statt Aufträge an Firmen zu vergeben, wie sonst überall üblich. Ein Sender mit eigenen Produktionsstätten, wo etwa der Tatort mit Ulrich Tukur als Felix Murot entsteht. Und ein Sender, für den sich jetzt mit dem Neuen, der Neuen auch die Frage stellt: Wie geht es mit uns weiter?

Der Programm-Mann tritt gegen die Zahlen-Frau an. Eigentlich bräuchte der HR beide

Um Intendant oder Intendantin beim HR zu werden, muss man sich schriftlich beim Rundfunkrat bewerben, dem Kontroll- und Aufsichtsgremium des Senders. Alternativ kann auch der Rundfunkrat selbst Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen. Eine zehnköpfige Findungskommission verengt dann das Feld der Kandidierenden - in diesem Fall auf zwei Namen, die wiederum dem Rundfunkrat zur Wahl vorgeschlagen werden: Florian Hager und Stephanie Weber.

Florian Hager ist 45 Jahre alt, hat Publizistik und Filmwissenschaften in Paris und Mainz studiert. Er war unter anderem stellvertretender Programmdirektor sowie Hauptabteilungsleiter Programmplanung TV und Web bei Arte in Straßburg. 2015 wurde er Gründungsgeschäftsführer von funk, dem Jugendangebot von ARD und ZDF, seit 2020 ist er stellvertretender Programmdirektor und "Channel Manager", das heißt, er baut gerade die ARD-Mediathek zu etwas um, das mit den Streamingdiensten mithalten können soll. Er gilt als Mann, der die Digitalisierung des Senders vorantreiben könnte.

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Die zweite Bewerberin Stephanie Weber ist 49 Jahre alt - ihr Geburtstag fällt auf den Tag der Wahl - und hat Rechtswissenschaften in Saarbrücken studiert. Im Justiziariat des Saarländischen Rundfunks betreute sie unter anderem die Rechtsgebiete Rundfunkverfassungsrecht und Programmrecht. 2017 wurde sie Verwaltungs- und Betriebsdirektorin des SR und verantwortete in dieser Position unter anderem die Bereiche Finanzen, Technik, Personal. In diesem Jahr erst wechselte Weber als Betriebsdirektorin zum HR. Sie gilt als Frau, die sich um die Zahlen kümmern und den Sender mit solideren Finanzen als derzeit in die Zukunft führen könnte.

Außenseiterin Ina Knobloch kritisiert Boulevardisierung und Abschottung des Senders

Der Programm-Mann und die Zahlen-Frau: Sowohl Florian Hager als auch Stephanie Weber haben vereinbart, vorab nicht über ihre Pläne zu sprechen. Hört man sich im Sender um, sagen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass beide nicht ganz unwichtige Themenfelder besetzen. Wenn der HR im Jahresbericht von der "jüngeren Zielgruppe" schreibt, dann meint er die 30- bis 49-Jährigen. Im Hörfunkbereich erreicht der junge Radiosender YouFM nicht nur am wenigsten Menschen, sondern auch immer weniger. Mit einer Tagesreichweite von 3,8 Prozent ist es das schwächste Hörfunkprogramm. Und wenn es um die Finanzen geht, standen im vergangenen Jahr Einnahmen von 507 Millionen Euro Ausgaben von 597 Millionen Euro entgegen, also ein Minus von 90 Millionen. Es sieht fast so aus, als bräuchte der HR eigentlich die Stärken von beiden Kandidaten, um den Sender zu sanieren.

Wobei die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch sagen, dass die vielleicht größte Aufgabe in den kommenden Jahren nicht Digitalisierung oder Budgetplanung ist - sondern darin besteht, die Menschen zusammenzuhalten: beim Hörfunk und beim Fernsehen, die vor den Kameras und die in den Schnitträumen, die Requisiteure und die Regionalreporterinnen. "Wir erleben gerade Unsicherheit in einem System, auf dessen Sicherheit wir uns immer verlassen können", sagt eine Mitarbeiterin. Einige sagen, dass sie mit dem Wechsel durchaus Hoffnung verbinden.

Neben den Namen Florian Hager und Stephanie Weber wurde in Hessen zuletzt noch ein dritter gehandelt: Ina Knobloch. Sie ist promovierte Biologin und Filmemacherin, hat lange für den HR gearbeitet und wollte ebenfalls bei der Wahl an diesem Freitag antreten. Im Interview in der FAZ beklagte sie die "Boulevardisierung" des Senders, die "Inhouse-Politik", die unter anderem verhindere, dass sich der HR gegenüber den Filmschaffenden in Hessen öffnet. Was sie aber vor allem beklagt: Dass sie, wie sie erklärt, zwar von einem Mitglied der Findungskommission gebeten worden sei, sich zu bewerben und dies auch getan habe - dann aber eben nie ein Gespräch mit dieser Kommission habe führen konnte. Rolf Müller, der Vorsitzende des Rundfunkrats, erklärt auf SZ-Anfrage, aus insgesamt zehn Bewerbern, die das Gremium benannt hat, habe man nun "nach einem von einer Personalberatung begleiteten Verfahren" mit einigen ausgewählten Gespräche geführt. "Zu einzelnen Personen, die in den Prozess involviert waren" könne man keine Angaben machen.

Fragt man im HR herum, haben viele von Ina Knobloch zumindest gehört. Manche sagen, sie habe mit ihrer Kritik durchaus einen Punkt, es müsse sich etwas ändern, nicht nur am Sender, "das merken wir bei unseren Kindern, die schauen kein Fernsehen mehr und denen hilft es auch nicht, dass wir in den Siebzigerjahren mal Die Blechtrommel koproduziert haben", sagt eine Mitarbeiterin. Viele kritisieren auch das Verfahren zur Wahl des neuen Intendanten, der neuen Intendantin. Dass beispielsweise in der Findungskommission so viele alte Herren sitzen, die nun über die Zukunft des Senders entscheiden - "ob das so ein schlaues Verfahren ist, da kann man geteilter Meinung sein", hört man aus dem Sender.

Wie lange die oder der Neue amtiert, legt der Rundfunkrat erst noch fest

An diesem Freitag nun also entscheidet der Rundfunkrat - bestehend aus 32 Männern und Frauen aus Politik und Gesellschaft - über den künftigen Intendanten oder die künftige Intendantin des Hessischen Rundfunks. Es reicht die einfache Mehrheit. Gewählt wird auf fünf bis neun Jahre, wie lange genau, wird in einem gesonderten Tagesordnungspunkt am selben Tag auch noch festgelegt. Dass diese wichtige Sitzung eines öffentlich-rechtlichen Senders nicht-öffentlich ist, auch dazu hatte es immer wieder Kritik gegeben. Das ZDF hatte seine Intendantenwahl drüben in Mainz im vorigen Juli per Stream live übertragen. Vom HR heißt es nur: Bei Sitzungen des Rundfunkrats sei das eben in der Regel so.

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