Süddeutsche Zeitung

ARD-Dokumentation:Seniorenstift der Traumfabrik

Für "Sunset Over Hollywood" haben Uli Gaulke und Marc Pitzke mit Bewohnern des Motion Picture & Television Country House gesprochen, dem Ruhesitz des Filmgeschäfts.

Von Fritz Göttler

Mit neun hat er zum ersten Mal Vom Winde verweht gesehen, früher, erklärte ihm sein Vater, wäre das noch nichts für ihn gewesen. Daniel Selznick erzählt vergnügt diese kleine Geschichte aus seiner Jugend. Er hat den Film dann in einer Sondervorführung gesehen, im Projektionsraum des Vaters, und lud seine ganze Klasse dazu ein. Der Vater war David O. Selznick, der legendäre Hollywoodproduzent, er hatte auch in den Dreißigern Vom Winde verweht produziert.

Von solchen kleinen Geschichten lebt der Film Sunset Over Hollywood von Uli Gaulke und Marc Pitzke. Es sind Geschichten, ganz nebenbei erzählt, sie rücken nicht die große Kinogeschichte zurecht, aber ergeben ein Bild vom Leben und von der Arbeit in der Traumfabrik Hollywood - nicht der großen Stars, sondern der Drehbuchautoren, Schnitt- und Tonmeister, Akteure, die mit den Stars zu tun hatten.

Es sieht aus wie in einem Feriencamp für Kinder, aber manche Bewohner sind hundert Jahre alt

Schauplatz des Films ist eine kleine Wohnanlage am Mulholland Drive in Los Angeles, mit kleinen Bungalows, an denen manchmal kleine US-Flaggen stecken, mit sauberen gewundenen Pfaden, Sträuchern und Bäumen in herbstlichem Rot. Es sieht aus wie in einem Feriencamp für Kinder, und in gewisser Weise sind die, die hier leben, wirklich wie Kinder, naiv und agil, aber alle an die hundert Jahre alt, manche sind sogar noch älter. Es sind jede Menge Rollatoren oder Elektrorollstühle unterwegs.

Das Motion Picture & Television Country House ist eine von den Hollywoodianern selbst, ursprünglich im Jahr 1921, gegründete, unterstützte und finanzierte Anlage. Jodie Foster etwa hat kürzlich ein Fitnesscenter finanziert, die Veranstaltung zum 95. Jahrestag der Gründung moderierte George Clooney. Mit Clooney, erinnert sich die Schauspielerin Anne Faulkner, habe sie einst in der TV-Serie Roseanne gespielt, und zur Erinnerung gibt es - man kann sich das kaum noch vorstellen - ein paar Sekunden daraus, mit einem jungen Clooney mit Wuschelkopf.

Eine andere Schauspielerin, Connie Sawyer, war 103 Jahre, als sie sich vor Gaulkes Kamera setzte (zwei Jahre später ist sie dann gestorben). Sie erinnert sich, wie sie in Filmen mit Susan Hayward oder Dean Martin gespielt hat. Sie bewirbt sich immer noch für Rollen, geht auf Castings, aber natürlich will niemand mehr sie in ihrem Alter versichern.

Erinnern macht nur einen kleinen Teil der Beschäftigung hier aus, man ist höchst aktiv und gschaftelig, schreibt an seinen Memoiren oder spricht wenigstens die Titel dafür durch, jetzt auf Computer und mit Maus, die die Senioren souverän bedienen. Die Buchstaben auf den Bildschirmen sind größer, aber die Poesie der Sätze jugendlich emotional. Und man diskutiert neue Projekte, zum Beispiel, wie es weiterginge mit Rick und Ilsa Jahre nach dem Ende von Casablanca. Man ist sich durchaus bewusst, wie das eigene Metier funktioniert, wie Fiktion und Wahrheit zusammenhängen, welcher Unterschied besteht zwischen Lügen und Fiktion.

Daniel Selznick wollte eigentlich nie ins Filmgeschäft, auch wenn der Vater ihn drängte. Schließlich wurde er doch Produzent, bei einer Reihe von Filmen für junge Zuschauer. Einer dieser Filme war American Graffiti von George Lucas.

Sunset Over Hollywood, 13. Oktober, Das Erste, 22.50 Uhr

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