Süddeutsche Zeitung

Hollywood Foreign Press Association:Schön und gut

Lesezeit: 4 min

Die Hollywood Foreign Press Association hat nach Vorwürfen, über Jahrzehnte hinweg korrupt und rassistisch gewesen zu sein, Reformen vorgestellt. Aber die Zweifel in der Branche wachsen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es klingt ja alles schön und gut, was die Hollywood Foreign Press Association (HFPA) da beschlossen hat - doch liegt genau darin das Problem, und das aus mehreren Gründen. Erstens: Es klingt nur schön und gut, noch ist keine dieser geplanten Maßnahmen umgesetzt. Und erst kürzlich ist Shaun R. Harper, Professor für Gender-Themen an der University of Southern California, als externer Berater zurückgetreten.

Er nannte keine Gründe, aus dem Umfeld eines Meetings der HFPA mit Aktivisten-Vereinigungen wie Time's Up oder Color of Change Mitte April heißt es, dass er so schockiert gewesen sei über Korruption, Rassismus und Sexismus der vergangenen Jahrzehnte, dass er keinen Weg sah, zu einer Lösung beizutragen. Auch die legendäre Krisenmanagerin Judy Smith (nach ihr ist die Protagonistin der TV-Serie "Scandal" gezeichnet) trat nach der Sitzung zurück, die von Teilnehmern als grotesk und rätselhaft beschrieben wurde.

Zweitens: Die HFPA klingt wie ein geständiger Dopingsünder im Profisport, der dafür gefeiert werden will, künftig keine leistungsfördernden Mittel mehr zu nehmen. So hat die Vereinigung zum Beispiel angekündigt, dass Mitglieder künftig keine Geschenke von Produzenten, Studios und PR-Firmen mehr annehmen dürften. Es ist keine Rede davon, die Vergangenheit aufzuarbeiten oder Geschenke zurückzugeben - das ist das Schöne, wenn man sich selbst sanktioniert. In einem Statement von Time's Up werden solche Maßnahmen als "dekorative Plattitüden" bezeichnet.

Und drittens, das größte Problem: Die angekündigten Maßnahmen führen einem vor Augen, wie schlimm das alles gewesen sein muss. Wenn die HFPA sagt, dass sie in den nächsten 18 Monaten etwa 40 neue Mitglieder aufnehmen will und dazu sagt, sie wolle "den Fokus spezifisch darauf legen, schwarze Mitglieder zu rekrutieren", dann führt das schon zur Frage, wie die Organisation es jahrzehntelang geschafft hat, so unfassbar weiß zu sein. Oder wenn es heißt, man wolle die journalistischen Standards anheben, dann wundert es freilich, was diese Vereinigung, die das Wort "Press" im Namen trägt, bislang für ordentliche Standards gehalten hat. Und wenn sie eine Stelle schafft, bei der sich jemand um Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion kümmern soll, dann - nun ja, man kann es ahnen.

Zur Erinnerung: Die HFPA vergibt seit 1944 jedes Jahr den Golden Globe, den nach Oscar (Film) und Emmy (TV) noch immer bedeutendsten Preis der Unterhaltungsbranche. Es stimmen nur die 86 Mitglieder ab, die alle Journalisten bei ausländischen Medien sein sollen- zum Vergleich: bei den Oscars stimmen mehr als 7000 Leute ab, bei den Emmys gar mehr als 24.000. Dabei ist eine fatale Kuscheligkeit entstanden zwischen den Mitgliedern und der Branche, über die sie berichten.

HFPA-Mitglieder seien seit Jahrzehnten als Schmarotzer bekannt, heißt es

So haben HFPA-Journalisten exklusiven Zugang zu Stars (für Reporter eine der wichtigsten Währungen), sie werden eingeladen zu Dreharbeiten, bei Vorführungen gibt es schon mal ein paar Geschenke. Das ist in Hollywood seit Jahrzehnten bekannt, doch zeichnete die Los Angeles Times im Februar ein noch düstereres Bild: Die HFPA-Mitglieder seien Schmarotzer, die bevorzugt behandelt werden von einer Branche, die sich dafür Golden-Globe-Nominierungen und Preise erhofft - und im Gegensatz zu anderen Preisen nur mit ein paar Dutzend Leuten kuscheln (oder vor ihnen kuschen) muss.

Schlimmer noch: Im vergangenen Geschäftsjahr schüttete die HFPA 1,929 Millionen Dollar an ihre Mitglieder für verschiedene Tätigkeiten aus, heuer sollen die Ausgaben bei 2,15 Millionen liegen. Wohlgemerkt: Es geht dabei zum Beispiel um 2310 Dollar pro Monat für jene, die das Budget für Exkursionen kontrollieren. Das diente vielen als Beweis dafür, worüber seit Jahrzehnten spekuliert wurde: Einige HFPA-Mitglieder leben nicht vom Journalismus, sondern von ihrer HFPA-Mitgliedschaft.

Und die Skandale hören nicht auf: Im April verschickte Phil Berk, 44 Jahre lang HFPA-Mitglied und acht Amtszeiten lang der Präsident der Vereinigung, eine E-Mail an Kollegen mit einem Artikel, in dem die Black-Lives-Matter-Bewegung als "rassistische Hass-Bewegung" bezeichnet wird. Mehr als 100 PR-Firmen in Hollywood sowie der TV-Sender NBC, der die Golden Globes überträgt, drohten mit Boykott, sollte Berk nicht hinausgeworfen werden. Das passierte auch, doch zeigte es eben auch, wann und warum die HFPA aktiv wird: wenn es an die Golden Globes geht und damit an Geld und Einfluss.

"Das Klügste, Verantwortungsvollste und moralisch Beste wäre es gewesen, die Veranstaltung auszusetzen", zitiert die Los Angeles Times einen PR-Agenten: "Jeder würde diesem Schritt applaudieren, weil er Haltung und Reue andeuten würde." Öffentlich äußern wollte sich bislang kaum jemand - die Times zitierte ein Mitglied ohne Namen: "Wir hatten vorher auch schon Regeln, die wurden nur nicht befolgt. Es kam immer darauf an, wer gerade das Sagen hatte und wer wen kennt. Nur wenn wir wirklich alles umsetzen, haben wir eine Chance."

Die Anonymität ist nun vorbei: Die PR-Firmen kündigten an, die HFPA weiterhin boykottieren zu wollen, Netflix-Chef Ted Sarandos schickte einen Brief an die Vereinigung: "Wir werden nicht mehr mit euch arbeiten, bis ihr wirklich bedeutsame Veränderungen umgesetzt habt." Streaming-Konkurrent Amazon schloss sich dem an, Studio-Chefin Jennifer Salke sagte: "Wir warten erst einmal, wie der Rest der Branche, auf ehrliche und einschneidende Maßnahmen." Schauspieler Mark Ruffalo verschickte ein Statement: "Ich kann, ganz ehrlich, nicht mehr stolz oder glücklich darüber sein, diesen Award gewonnen zu haben."

Sie klingen schön und gut, die Maßnahmen der HFPA. Doch stellt die Vereinigung, die jahrzehntelang dieses schrullige Image pflegte - obwohl jeder in Hollywood wusste, dass es nicht schrullig, sondern bisweilen einfach nur böse war -, nun fest, dass es kaum ein vernichtenderes Urteil geben kann als die Aussage, dass irgendwas schön und gut klinge.

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