Hörspiele:Alles kommt ins Rutschen

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(Foto: Stefan Dimitrov (Illustration))

In drei neuen Hörspielen trägt es die Figuren aus der Kurve. Für manche ist das eine Befreiung.

Von Stefan Fischer

Fischer Fritz fischt nicht mehr. Er ist alt geworden und hinfällig. Wird absehbar ein Pflegefall. Dass ein Mensch zum Fall wird: Das ist schwer hinzunehmen. Für ihn selbst, für seinen Sohn. Fritz und Franz, die beiden Figuren aus Raphaela Bardutzkys Hörspiel Fischer Fritz, hatten es nicht immer leicht miteinander. Und jetzt tritt auch noch diese Frau hinzu, Piotra, eine junge Polin, die bei Fritz einzieht. Sie wird sich um ihn kümmern, sechs Tage die Woche.

Eine neue Familie gewissermaßen. In der jeder erst seine Rolle finden muss. Bardutzky und die Regisseurin Pauline Seiberlich konfrontieren die knappe, lakonische Sprache der beiden bayerischen Männer, gespielt von Johannes Herrschmann und Michael A. Grimm, mit der Redseligkeit von Piotra (Marta Sroka), die meistens Deutsch und manchmal Polnisch spricht. Das Reden genauso wie das Schweigen ist der Versuch, Halt zu finden, obwohl alles ins Rutschen kommt. Denn alle drei werden aus ihren bisherigen Leben herausgeschleudert. Es ist eine intensive, emotional schwierige Zeit. Aber auch eine wertvolle.

Ein selbstbestimmtes Leben, das scheint auch in Nis-Momme Stockmanns Hörspiel Der Betreuer nicht mehr möglich zu sein für Dante Emil Meyrowitz, gesprochen von Moritz Grove. Jedoch nicht, weil Dante in seinem Handlungsspielraum in irgendeiner Weise eingeschränkt wäre. Sondern weil ihm der staatliche Betreuer (Ole Lagerpusch), der sich ihm aufdrängt, brachial einbläut, dass das mit der Selbstverwirklichung und dem Ausschöpfen der Potenziale nichts wird ohne professionelle Hilfe.

Plötzlich steht die junge Frau auf der Bühne eines AfD-Parteitags

Der Betreuer ist in diesem Fall ein Coach, der sich außerdem um den lästigen Kleinkram in Dantes Leben kümmert. Er macht seinen Klienten glauben, betreuerlose Leute seien gefangen in der Gleichförmigkeit des Daseins. Wer herausstechen wolle, brauche jemanden, der sagt, wo es langgeht. Tatsächlich sieht es aber so aus, als seien die Betreuten die Gleichförmigen, alle nach Schema F unterwegs auf ihren Egotrips. Auch Dante wird zu einem jener Dreckskerle, unter denen er selbst lange gelitten hat.

Übrigens haben auch alle staatlichen Betreuer einen Betreuer, und die wiederum... Stockmann, der sein Stück selbst inszeniert hat, überdreht den Selbstoptimierungs-Hype ins Groteske und rückt ihn in die Nähe von Teufelspakten.

Definitiv dirigiert eine höhere Macht das Geschehen in Simone Buchholz' Hörspiel Riss in der Matrix, inszeniert von Silke Hildebrandt. Leslie, eine junge, von Lou Strenger gespielte Frau, wird ständig aus ihrem Dasein herausgerissen. Wobei ihr die aktuelle Homebase ebenfalls fremd ist: eine Kneipe, in der erst eine Kellnerin, dann ein Kellner arbeitet und in der außer ihr stets nur der immergleiche Gast wechselweise Bier trinkt oder schläft.

In kurzen Abständen wird Leslie in neue Situationen gebeamt. Dann steht sie als Rednerin auf der Bühne eines AfD-Parteitags oder mit schreienden, fremden Kindern und ohne Geld an der Supermarktkasse. Zurück am Tresen, klären sich mit jedem Glas Weißwein und jedem Gespräch mit den Barkeepern die nebulösen Dinge allmählich auf.

Fischer Fritz, Bayern 2, 1. April, 15.05 Uhr. Riss in der Matrix, HR 2, 2.4., 22 Uhr. Der Betreuer, NDR Kultur, 5.4., 20 Uhr.

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