"Teilnehmer? Mit wem spreche ich denn? Wie ist Ihr Name? Mit wem möchten Sie denn sprechen?" Es war offenbar gar nicht so einfach, zu Wort zu kommen, wenn man bei der Staatssicherheit der DDR anrief. Das jedenfalls suggeriert das Hörspiel Sie sprechen mit der Stasi von Andreas Ammer und dem Musiker FM Einheit, der bis 1995 Mitglied der Einstürzenden Neubauten war. Die Erzählung besteht ausschließlich aus Originalaufnahmen aus dem Tonarchiv der Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen - dieses Archiv ist, anders als der Bestand der Papierakten, noch weitgehend unerforscht.
Die Staatssicherheit hatte alle eingehenden Anrufe sowie Verhöre mit Verdächtigen aufgenommen. Schon der dokumentarische Wert des Hörspiels ist beträchtlich, auch wenn es nur einen minimalen Teil dieser Mitschnitte auswertet. Ammer und FM Einheit geht es jedoch um eine Überhöhung: Sie rhythmisieren, sie interpretieren, sie emotionalisieren. Sie wollen in ihrer künstlerischen Zuspitzung das Wesen dieses Unrechtsstaates begreiflich machen, der die Bürger weniger mit physischen als mit psychischen Drohgebärden gegängelt hat. Mitunter schluckt die Musik, die FM Einheit komponiert hat, das Gesagte und lenkt die Aufmerksamkeit weg vom Inhalt auf den Tonfall. Die Wissbegier der Stasi einerseits, das Denunziantentum andererseits liegen offen zutage. Allmählich schält sich jedoch noch etwas heraus: Wie massiv die Demütigung war - die Demütigung der Bürger durch die Stasi-Mitarbeiter, aber auch die Selbsterniedrigung der Bürger vor der Stasi.
Vor zwölf Jahren hat Ammer das formal sehr ähnliche Hörspiel Spaceman '85 produziert, indem er die Tonaufnahmen, die der Astronaut Reinhard Furrer während des Starts der Raumfähre Challenger von seinen Monologen gemacht hatte, musikalisch überformt hat. Da ging es um Freiheit, um Aufbruch, um Mut. Sie sprechen mit der Stasi erzählt vom Gegenteil: von Enge, vom Eingesperrtsein, von Kleingeistigkeit.
Sie sprechen mit der Stasi, WDR 3, 19.04 Uhr.