Hörspiel "Tender Buttons, verknüpft":Bitte vorknöpfen

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(Foto: Illustration: Stefan Dimitrov)

Die Komponisten Cathy Milliken und Dietmar Wiesner schnappen sich Texte von Gertrude Stein, William Carlos Williams sowie E. E. Cummings. Eine Hörspiel-Empfehlung.

Von Stefan Fischer

Ein Mantel ist ein Mantel und eine Obstschale eine Obstschale. So wie eben auch eine Rose eine Rose ist. Aber schon da wird es kompliziert, weil das Wort Rose vielleicht gar keine Blume meint, sondern eine Frau dieses Namens. Die Schriftstellerin Gertrude Stein hat meisterhaft mit den Dingen des Alltags gespielt, in ihrer Lyrik genauso wie in ihrer Prosa, und sie dabei in eine poetische Welt überführt. Kompliziert ist daran eigentlich gar nichts - wenn man sich darauf einlässt, dass sich die Dinge bei ihr nicht so leicht mit den Maßstäben einer rationalen Logik ergründen lassen.

Es sind Texte, die voller Anspielungen und Rätsel stecken und gerade deshalb die Fantasie in Gang setzen. Die Komponisten und Musiker Cathy Milliken und Dietmar Wiesner, die ein eingespieltes Duo sind in ihren Radioarbeiten, haben sich Steins beinahe hundert Jahre alten und doch so modernen Lyrikband "Tender Buttons" geschnappt, haben sich auch bei William Carlos Williams bedient und bei E. E. Cummings, denen man eine Geistesverwandtschaft zu Getrude Stein unbedingt zubilligen kann, und aus all dem ein wunderbar verspieltes Hörstück gemacht: Tender Buttons, verknüpft. Schon dieses Wort "verknüpft" ist schön doppeldeutig, es weist auf Verbindungen hin, aber auch auf ein falsches Verknüpfen der zarten Knöpfe, sodass etwa der blaue Mantel, mit dem ihr Stück beginnt, schief an seinem Träger herunterhängt.

Dieses asymmetrische Knöpfen muss aber kein Makel sein. Sondern kann auch Experiment, Exaltiertheit, Erfindungsreichtum bedeuten. Für die Musik von Milliken und Wiesner gilt das in jedem Fall: Die beiden haben die Texte nicht im eigentlichen Sinne vertont, sondern haben Kompositionen geschaffen, die vor, nach oder mit den Texten zu hören sind und mit ihnen interagieren. Sie sind weniger Interpretation als Kommentar, ordnen sich den Gedichten nicht unter, sondern stehen selbstbewusst und gleichberechtigt neben ihnen. Die Instrumente: neben einigen anderen Klarinette, Oboe, Flöte, Didgeridoo, Duduk und Sheng, also überwiegend Blasinstrumente. Der Sound: bewusst nicht eurozentristisch.

Inmitten dieser sie umspielenden musikalischen Expedition steht Dagmar Manzel, die die Texte spricht, was in diesem Fall bedeutet: auf eine zurückgenommene, aber dabei ganze klare Weise sowohl die Präzision als auch die Offenheit hörbar zu machen, die Gertrude Stein und die weiteren Autoren ihren lyrischen Weltbetrachtungen eingeschrieben haben. Ein akustisches Kleinod.

Tender Buttons, verknüpft, SWR 2, 5. Februar 2022, 23 Uhr.

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