Süddeutsche Zeitung

Hörspiel auf SWR 2:Kokon aus Geräuschen

Lesezeit: 1 min

Das Hörspiel "Das unsichtbare Dritte" erzählt erstaunlich reduziert von der Verunsicherung eines Selbst - es ist außergewöhnlich.

Von Stefan Fischer

Nichts zu sehen. Schon klar, das ist in Hörspielen immer so. Aber auch vor dem inneren Auge entsteht diesmal kein Bild. Das muss man erst einmal schaffen, als Autor, Komponist und Regisseur: die Szenerie so zu reduzieren, dass da tatsächlich nur diese Stimme einer Frau ist und ein metallischer Klang. Sonst nichts. Kein Ort, keine Zeit.

Eine Frau hat sich eingeschlossen in Albrecht Kunzes Hörspiel Das unsichtbare Dritte, das lange Zeit ein Monolog ist. Sich abzukapseln bedeutet, etwas anderes auszuschließen. Es lauert eine Gefahr, die die Frau aber nicht benennen kann. Sie schützt sich, aber das bedeutet automatisch auch: Sie engt sich durch den Rückzug massiv ein in ihren Handlungsoptionen. Wohin sie sich zurückgezogen hat, ist nicht festzustellen. Es kann ein Zimmer sein, ein Zustand, ihr eigener Körper, ihr eigener Geist. Sie sieht nichts, aber ob es deshalb dunkel ist, erfährt man nicht.

Nicht mal das eigene Selbst ist für die Frau greifbar

Kunze hüllt die Frau in einen Kokon aus Geräuschen - ein kaltes, metallisches Soundgeflecht. Es wirkt durchlässig, hat andere Dimensionen als das selbstgewählte Gefängnis der Frau. Die irgendwann nicht mehr alleine zu sein scheint. Doch wann genau die zweite Stimme hinzu kommt, kann man im Nachhinein gar nicht mehr genau sagen. Plötzlich ist sie anwesend - die Stimmen von Marie Löcker und Karolina Seibold ähneln einander, weshalb die Figuren bewusst ineinander übergehen. Vielleicht ist da auch gar keine andere Person. Nur eine (weitere) innere Stimme.

Es gibt in Das unsichtbare Dritte keine Gewissheiten, das Stück erzählt von einer maximalen Verunsicherung. Nicht mal das eigene Selbst ist für die Frau greifbar, auch ihr Körper bleibt ihr seltsam fremd. Er trägt Wunden, womöglich selbst zugefügte, empfindet aber keinen Schmerz. Wo nichts ist, kann man sich an nichts orientieren. Konkreter wird Albrecht Kunze nicht - es würde seine Idee und damit dieses außergewöhnliche Hörspiel zerstören.

Das unsichtbare Dritte , SWR 2, Donnerstag, 23.03 Uhr.

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