Süddeutsche Zeitung

Hörspiel:Schwitzende Sportreporter

Haus weg, Kinder weg, Frau weg, und auch das Koks: "Zaïre 74" erzählt von einem Journalisten, der vom Boxkampf 1974 "Rumble in the Jungle" berichten und damit endlich wieder jemand sein will. Wenn da nicht die paranoiden Schübe wären.

Von Stefan Fischer

Harry Reschke ist raus. Der Job als Sportredakteur, die Frau, die Kinder, das Haus - alles weg. Immerhin ist er auch das Kokain los, er kommt leidlich ohne die Droge klar. Und träumt von einem Comeback. So wie Muhammad Ali, der sich den Weltmeistertitel im Schwergewichtsboxen zurückholen will von George Foreman. Die Boxer treffen sich im Herbst 1974 in Kinshasa, der Hauptstadt des Kongo, der damals Zaire hieß, zum "Rumble in the Jungle".

Mit dabei: Harry Reschke. Er will ein Buch schreiben über diesen Kampf, über die sportlichen und politischen Umstände. Es soll ihm Geld bringen und Ruhm, soll allen klar machen, dass mit ihm, Harry Reschke, noch zu rechnen ist.

Patrick Findeis, der erst ein Jahr nach dem Kampf geboren worden ist, schildert diese fiktive Geschichte innerhalb der realen Ereignisse in seinem Hörspiel Zaïre 74, das Kai Grehn mit einer opulenten, trotzdem klug austarierten Tonspur inszeniert hat. Der Kampf ist seinerzeit wegen einer Verletzung Foremans um einige Wochen verschoben worden, und so hing der gesamte Tross fest in den afrikanischen Tropen. Nicht nur das Klima setzt Reschke zu, den Carlo Ljubek spricht - eine im Hörspiel bislang angenehm unverbrauchte Stimme. Reschke leidet auch an seiner finanziellen Situation und an paranoiden Schüben, die dem langen Kokain-Konsum geschuldet sind.

Gegengeschnitten mit diesem Sog in die Tiefe sind die elektrisierende Stimmung vor dem Kampf - das wichtigste Sportereignis in ganz Afrika bis dahin - sowie die grundsätzliche Aufbruchsstimmung in Zaire und der Stolz darauf, dass die ganze Welt nun auf das Land blickt. Gleichzeitig ist vieles dubios, jedenfalls in der Wahrnehmung des Fremden, der sich überdies seiner Sinne nicht sicher sein kann. Was innerhalb dieser Geschichte real ist und was eine Wahnvorstellung, ist nicht immer klar auszumachen. Das ist der Reiz dieses akustischen Nachtmahrs.

Zaïre 74, SWR 2, Sonntag, 18.20 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 08.06.2018
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