Süddeutsche Zeitung

Hörspiel:Regie gegen einen General

Ante Gotovina wurde 2011 als Kriegsverbrecher verurteilt und dann freigesprochen. Ein Hörspiel verdichtet seine Geschichte, bis ihre Absurdität nicht mehr zu leugnen ist.

Von Stefan Fischer

Wollte nicht jeder mal zum Film? Nur zu, Joël László ist da vermeintlich ganz unkompliziert. Er schubst das Publikum seines Hörspiels Ante oder der Thunfisch kurzerhand aufs Set - wer sich dieser Geschichte aussetzt, soll auch gleich die Regie übernehmen.

Der Traumjob ist in Wahrheit jedoch fürchterlich. Das Thema ist kompliziert, der Produzent widerlich, die Schauspieler sind divenhaft, die Umstände insgesamt katastrophal. Aber die Hörer sollen sich gefälligst kümmern und nicht bloß konsumieren. Die Figur, die offiziell Regie führt, eine von Lilith Häßle gespielte engagierte junge Frau, möchte als Person verschwinden aus dem Stück. Jeder Hörer soll sich so sehr identifizieren, dass er ihre Stimme als die seine wahrnimmt, ihr Handeln zu seinem macht und sie selbst somit überflüssig.

Am Ende, und das macht sie frühzeitig klar, wird diese Frau tatsächlich verschwunden sein. Gestrandet als Thunfisch, zu einer Portion Sushi verarbeitet. Sie hat verloren, und mit ihr alle ebenso Empörten, all jene, die die Regisseurs-Rolle annehmen. Ante Gotovina ist nicht beizukommen. Der kroatische General ist 2011 wegen Mordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Den Haag zu 24 Jahren Haft verurteilt und bald darauf von allen Vorwürfen freigesprochen worden.

László verdichtet Gotovinas Geschichte, bis ihre Absurdität nicht mehr zu leugnen ist. Bis alle Wahrheiten so weit verdreht sind, dass Gotovina kein Verbrecher mehr ist, sondern ein Held - den Alain Delon, ein bekennender Freund Jean-Marie Le Pens, spielen möchte. Bis ein solidarischer Gruß kroatischer Fußballer keine politische Geste mehr ist. Bis das Filmprojekt in ein strahlendes Epos umgebogen ist.

So viel Irrwitz muss mit Verrücktheiten gekontert werden. Der Filmdreh artet ins Bombastische aus, zugleich verlagert sich die Szenerie in ein Aquarium, das zur Fischzucht mutiert. Die Regisseurin schwimmt mittendrin, verwandelt in einen Thunfisch. Gotovina hat sie in der Hand: Ihm gehört heute so eine Zucht. Das Schlachten ist sein Metier geblieben.

Ante oder der Thunfisch, Bayern 2, 21.05 Uhr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4654363
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.10.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.