Hörspiel "Pig Boy":Im Schweinsgalopp

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Das Hörspiel "Pig Boy" ist eine fiese Tierfabel, in der sich Individuen nicht behaupten können gegen Mehrheiten und Massengeschmack. Egal ob Mensch oder Schwein.

Von Stefan Fischer

Der Mensch und das Schwein, da besteht eine besondere Verbindung. Gwendoline Soublin hat sie in ihrem Hörspiel Pig Boy 1986 - 2358. Replay der Menschwerdung auf schrille Weise in die Zukunft weitergedacht.

Das erste Kapitel spielt noch in der Vergangenheit, Mitte der Achtzigerjahre, rund um das Geburtsjahr der Autorin. Theodor Bouquet träumt von einem Leben als Cowboy. Doch statt mit Rindern bekommt er es mit Schweinen zu tun, statt mit der Prärie mit dem Mastbetrieb des Vaters. Der wird in den Ruin getrieben von einem noch viel größeren Betrieb, einem internationalen Konzern. Es ist zugleich die Zeit, in der sich die Menschen um das Tierwohl zu scheren beginnen.

Schon diese erste Geschichte ist ohne die Massenmedien nicht zu denken - Bouquets Cowboy-Fantasien stammen aus dem Kino, und sein Untergang als Unternehmer ist ein öffentliches Schauspiel mit dem Fernsehen als Bühne. Von heute aus gesehen zwei Jahrzehnte in die Zukunft springt das zweite Kapitel. Ein Schwein, Pig Boy, hat es dank sozialer Medien zum Star und Influencer gebracht. Zum Verhängnis wird ihm, dass es sich all zu menschenähnlich verhält.

Ein Schwein, das sich allzu menschlich gibt, verletzt die Artenrechte

Wegen "Verletzung der Artenrechte" wird es angeklagt und abgeurteilt - von vielen Millionen Menschen, die den Prozess über ein Interface verfolgen, der ihnen wie eine Realitysoap dargeboten wird, und die nach dem Like- und Dislike-Prinzip über Freispruch oder Todesstrafe entscheiden. Im dritten Kapitel, tief im 24. Jahrhundert, hat die Menschwerdung der Schweine bereits erheblich Fortschritte gemacht.

Nicht nur die Grenzen zwischen Mensch und Tier, auch zwischen Wirtschaftskonzernen, Politik und Öffentlichkeit verschwimmen immer stärker in der Inszenierung von Susanne Janson. Sie präsentiert eine Welt, in der sich das Individuum - selbst das tierische - den Zwängen von Konformität und Massenmedien beugen muss. Inhaltlich, formal und ästhetisch fällt das Hörspiel von der ersten Minute an in einen rasanten Schweinsgalopp. Die Aufmerksamkeitsspanne für einzelne Aspekte ist social-media-kurz. Jede Existenz ist nur noch als Entertainment denkbar.

Pig Boy 1986 - 2358. Replay der Menschwerdung, NDR Kultur, 22. September 2021, 20 Uhr.

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