Hörspiel:Kannste dir nicht ausdenken

Die Schnüppe, den Zankzeisel, den Leischling und die Grapzwicke gibt es zwar nicht, aber sie klingen gut: "1111 Vögel" feiert die Fantasie des französischen Autors Valère Novarina.

Von Stefan Fischer

Das etablierte Vokabular seiner Muttersprache war dem französischen Schriftsteller Valère Novarina noch nie genug. Leidenschaftlich gern erfindet er neue Wörter. Das Hörspiel 1111 Vögel nun besteht ausschließlich aus solchen. Novarina hat sich fiktive Namen für allerhand Vogelarten ausgedacht - und Leopold von Verschuer, der das Hörspiel auch inszeniert hat, hat das mit vergleichbarer Lust und Kreativität im Deutschen nachvollzogen. Von Übersetzen kann man in diesem Fall wohl kaum reden.

Jens Harzer spricht die deutschen Vogelnamen, Agnès Sourdillon die französischen. Nach jedem dieser Wort-Paare erklingt eine Tonfolge, erzeugt mit Ultra-Klavier und Ultra-Cembalo: eine mal artifiziell, mal technisch verfremdete Imitation des spezifischen Zirpens oder Trillerns dieses Vogels. Manche erfundene Bezeichnung erinnert an reale Vogelnamen, bei anderen denkt man eher an Pilze oder Blumen. Manches klingt wie ein Scherz.

Unweigerlich beginnt man beim Hören, sich auszumalen, wie diese Tiere wohl aussehen. Denn viele der Namen klingen so, als würden sie die hervorstechende Charaktereigenschaft beschreiben. Irgendwann dann sieht man keine Vögel mehr vor dem inneren Auge, sondern Menschen. All die Neologismen, diese neuen Wörter, sind das nicht eigentlich Kose- oder Schimpfnamen für Menschen? Die Schnüppe, der Zankzeisel, der Leischling, die Grapzwicke ... Was sich vielleicht so anhört, als läse da jemand aus einem Telefonbuch vor, ist ein großes spielerisches Vergnügen, eine Hommage im Miniaturformat an Honoré de Balzacs comédie humaine.

Ergänzt wird 1111 Vögel von dem Stück Insekten und Einhörner, das auf dem Briefwechsel zwischen Valère Novarina und dem Art-brut-Maler Jean Dubuffet fußt - und einem einen hilfreichen Zutritt verschafft zu Novarinas Denken und Kunstverständnis.

1111 Vögel, DKultur, Sonntag, 18.30 Uhr sowie Insekten und Einhörner, 1. Mai, 18.30 Uhr.

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