DLF-Hörspiel "Fuß auf Blech":Einstürzende Zweckbauten

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(Foto: Illustration: Stefan Dimitrov)

Der Traum vieler Angestellter: Im DLF-Hörspiel "Fuß auf Blech" kollabiert ein Großraumbüro.

Von Stefan Fischer

Eigentlich ist es ein grässliches Geräusch. Prädestiniert, um Panik auszulösen. Denn wenn eine Mauer birst, ist das immer ein Alarmsignal, Stufe rot. Ein Riss in der Wand stellt schließlich die Stabilität des ganzen Bauwerks infrage. Rette sich, wer kann!

Die fünf Figuren, die die fünf Autorinnen Annalisa Cantini, Alexandra Ava Koch, Anna Neata, Frieda Paris und Felicitas Prokopetz für ihr Hörspiel Fuß auf Blech erfunden haben, nehmen den Schaden im Gemäuer jedoch stoisch hin. Nur der Chef neigt zu cholerischen Ausbrüchen, aber dafür braucht es keinen Riss in der Wand. Dafür braucht es eigentlich überhaupt keinen Anlass. Womöglich ist das auch der Grund, weshalb die vier Untergebenen so überraschend gelassen reagieren: Was soll einen aus der Kurve werfen, wenn Hysterie die Grundstimmung ist?

Zu banal, zu gewöhnlich ist den Autorinnen offensichtlich die Pandemie und der Zwang zum Home-Office, um daran die Selbstvernichtung eines Großraumbüros durchzuspielen. Sie lassen es krachen im Mauerwerk, so surreal darf es dann gerne sein. Wenn alles gehörig drüber ist in dieser Geschichte, dann bitteschön auch ihr Auslöser.

Der größte Idiot von allen ist auch hier mal wieder der Chef

Aber wenn man alle Übertreibungen mal beiseite lässt - und das fällt umso leichter, je absurder sie gezeichnet sind -, dann bleibt im Kern genau diese Erkenntnis: Es braucht gar keine äußere Bedrohung, sei es durch die Gefahr eines Einsturzes oder sogar nur durch das Auseinanderdriften im Home-Office, um eine Bürogemeinschaft implodieren zu lassen. Das kriegen die Menschen allein hin durch Inkompetenz und Renitenz, Führungsschwäche und Kadavergehorsam. Und zwar ganz prächtig.

Der größte Idiot von allen ist natürlich der Chef, ein Paradebeispiel für die Gültigkeit des Peter-Prinzips: Dieser Theorie nach werden im Wirtschaftsleben Menschen so lange befördert, bis sie eine Position erreicht haben, für die sie maximal inkompetent sind. Im Fall des Herrn Manzinger in Fuß auf Blech bedurfte es nur weniger Hierarchiestufen, ehe dieser Zustand erreicht war.

Manzinger ist nie da, wenn man ihn mal braucht. Die Angestellten witzeln dann, ob er sich selbst gefeuert hat oder wegen Steuerhinterziehung einsitzt. Beides trauen sie ihm zu - und überschätzen ihn dadurch. Denn im Grunde ist er doch immer nur drei Schritte entfernt und also stets rechtzeitig vor Ort, um einen unpassenden Kommentar abzugeben.

Der Mann stört. Aber was täte die Belegschaft, wenn er tatsächlich weg wäre? Das Ziel ihres Spotts wäre dahin, die Struktur ihres tristen Büroalltags, kurz: ihre berufliche Daseinsberechtigung. Also: Fuß aufs Blech, Vollgas weiter - und wenn das ganze Bürogebäude einstürzt. Immer noch besser als biedere Normalität.

Fuß auf Blech, DLF Kultur, 27. Februar 2022, 18.30 Uhr.

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