Hörspiel:Glück, gemessen in Gigabyte

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(Foto: Illustration: Stefan Dimitrov)

Emma Braslavsky verkuppelt in "Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten" Menschen mit Maschinen - und richtet damit lustvoll ein Chaos an.

Von Stefan Fischer

Zweimal ist Beata bereits sitzengelassen worden. Und die Sache mit ihrem neuen Freund Lennart geht ebenfalls fürchterlich schief: Kaum sind die beiden zusammen, stirbt Lennart. Zuvor hatte er sich darüber beklagt, dass Beata fortwährend von Pedro gesprochen hatte, ihrem Ex.

Nun, auch Beata kann eben nicht heraus aus ihrer Hülle. Darin unterscheidet sich eine künstliche Intelligenz wie sie nicht von einem Menschen. Emma Braslavsky spielt in ihrem Science-Fiction-Roman Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten von 2019 solche Paarbeziehungen zwischen Menschen und humanoider KI durch. Nun hat sie Handlungsstränge des Romans in ein Hörspiel umgearbeitet (Regie: Lorenz Schuster). Darin versprechen Robotik-Konzerne das reine Glück: Jeder Mensch könne sich einen künstlichen Partner seiner Wahl erschaffen lassen und mit ihm oder ihr die Beziehung seiner Träume führen.

In der Realität muss Lennart ein gebrauchtes, schon zweimal ausgemustertes Exemplar übernehmen, das konditioniert ist durch ihre Vorbesitzer. Und schon die Frage nach etwaigen Besitzverhältnissen führt mitten hinein in einen Wust an Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt: Hat die KI das Bewusstsein einer eigenen Persönlichkeit? Einen freien Willen? Roboterrechte? Und was folgt jeweils aus den Antworten?

Wenn Beata weint, dann nur, weil ein Programm das so festlegt.

Kurz: Beziehungen zwischen Menschen und humanoider KI sind mindestens so komplex wie die zwischen Menschen untereinander. Das liegt an beiden Seiten: So gilt für Menschen eine 0,5-Promille-Grenze im Umgang mit KI, sexistische Übergriffe sowie unerlaubte Zugriffe auf deren Daten sind untersagt. Nur scheren sich die Menschen in ihrem Überlegenheitsgefühl nicht wirklich darum.

Die Roboter wiederum, egal wie komplex sie programmiert sein mögen, sind auch in dieser Szenerie letztlich nicht zu selbstständigem Denken in der Lage - und ebenfalls nicht dazu, Emotionen zu empfinden. Wenn Beata weint, dann nicht, weil sie um Lennart trauert, sondern weil ein Programm festlegt, wie sie auf eine Todesnachricht reagiert. Welchen Wert haben Empathie und Aufrichtigkeit vor diesem Hintergrund?

Dieser Gemengelage gewinnt Emma Braslavsky kluge und komische Momente ab. Vor allem in Szenen, in denen die kühle Scheinlogik maschineller Algorithmen und das inkonsequente menschliche Handeln aufeinanderprallen.

Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten, Bayern 2, 25. März 2022, 21.05 Uhr.

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