Hörspiel:Bonnie ohne Clyde

"Die Riesenfaust" von Anne Leppers ist eine albtraumhafte Geschichte aus einer fremden Gegenwart, mit bösen Polizisten, die in singenden Chören durch die Straßen ziehen und einer Heldin wie aus "Alice im Wunderland".

Von Stefan Fischer

Bei Bonnie denkt man unweigerlich auch an Clyde. An beider Geschichte und Image: zwei Kriminelle, die mit anderen Gangstern Banken sowie Geschäfte ausgeraubt und mehr als ein Dutzend Menschen getötet haben, zumeist Polizisten. Die aber auch bewundert werden für ihre Radikalität, ihren Freiheitswillen.

Clyde gibt es nicht in Anne Leppers Hörspiel Die Riesenfaust, nur eine Bonnie. Und der Schauplatz liegt auch nicht in den USA, sondern ... tja, in einer Gegenwart, die durch einige Details vertraut deutsch wirkt - und dennoch merkwürdig fremd ist. Vor allem sind hier die Polizisten die Bösen, Bonnie hingegen versucht, rechtschaffen ihren Platz zu finden, möglichst frei von Zwängen. Das Theater wäre ein Ort für sie, glaubt sie, da greifen die Realität und die Imagination ineinander. Aber besonders theatral wird es in Bonnies Dasein nicht in der Kunstwelt der Bühne, sondern auf den Straßen. Durch die läuft ein Polizeichor, singend regiert er das Land, das er - aus welchem Grund eigentlich? - handstreichartig zu einem Rechtsstaat erklärt hat.

Das Stück ist eine Phantasmagorie, ein Albtraum. Bonnie hat etwas von Alice aus dem Buch von Lewis Carroll und wie die durch das absonderliche und vielerorts fiese Wunderland irrt. Naiv, staunend, und doch mit dem Antrieb, ihr Glück zu finden. Unabhängig zu sein wie die Bonnie an Clydes Seite. Und keinesfalls in den Chor einzustimmen.

Die Riesenfaust, WDR 3, 19.04 Uhr.

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