Süddeutsche Zeitung

Hörspiel:Atemnot

Öko-Luft aus fairem Handel und Anfeindungen gegen Flüchtlinge, die die europäischen Luftreserven wegatmen: Das dystopische Hörspiel "Atmen" von Christian Hussels macht die Luft zur Ware.

Von Stefan Fischer

Die Menschen reden nicht miteinander in dieser Furcht einflößenden Geschichte. Vermutlich würden sie sonst zu viel Sauerstoff verbrauchen. Luft ist in der unbestimmten Zukunft von Christian Hussels Hörspiel Atmen ein wertvolles Gut. Die Privatisierung von Wasser, gegenwärtig als besonders krasser Auswuchs des Kapitalismus angeprangert, ist in Atmen längst vollzogen. Nun geht es um die Luft.

Bekanntmachung reiht sich an Stellungnahme, Nachricht an Selbstauskunft in dieser Dystopie, die Thomas Wolfertz als pure Selbstverständlichkeit inszeniert. Privatbesitz sei das beste Konzept für Nachhaltigkeit, sagt eine Figur: Wem etwas gehört, der achtet auch darauf. Das wird in Atmen nicht infrage gestellt, für die Figuren ist zwar etliches neu durch die politische und privatwirtschaftliche Regulierung der Luftnutzung, aber nichts davon absurd.

Die Menschen entwickeln Geschäftsideen, indem sie Öko-Luft aus fairem Handel feilbieten. Flüchtlinge sind nun deshalb unerwünscht, weil sie europäische Luftreserven schmälern. Und mit ungefilterter Rohluft werden Anschläge verübt. Hussels Hörspiel zündet, weil sich die Menschen tatsächlich sehr ernsthaft um die Qualität der Atemluft kümmern sollten. Und man sich bei dem Gedanken ertappt, ob Atmen nicht vielleicht sogar eine positive Utopie beschreibt.

Atmen, MDR Figaro, Sonntag, 18 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 26.02.2016
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