Süddeutsche Zeitung

Hoeneß-Klamotte "Die Udo Honig Story":Gier ist geil

Auf Sat.1 wird aus Uli Hoeneß Udo Honig. Doch bei allem Witz will die Satire den echten Hoeneß vorführen. Im Knast.

Von Ralf Wiegand

Er ist wieder da. Ein wenig versteckt tauchte Uli Hoeneß, der ehemalige Spieler, Manager und Präsident des FC Bayern München, als Zeitzeuge in einer Dokumentation über eine höchst umstrittene Person der Zeitgeschichte auf. Nein, es ging nicht um ihn selbst - Uli Hoeneß äußerte sich zum 70. Geburtstag von Franz Beckenbauer, dem zu Ehren die ARD es sich nicht nehmen ließ, eine Festschrift zu verfilmen. Gänzlich unkritisch. Da kam Beckenbauer gar nicht mehr umstritten rüber - und Uli Hoeneß zum ersten Mal nach seiner Inhaftierung wegen Steuerhinterziehung öffentlich und gefahrlos zu Wort.

In eigener Sache hat sich Hoeneß, 63, bisher noch nicht geäußert, dafür haben eine Menge anderer Leute sich über ihn den Kopf zerbrochen. Neulich erst ließ das ZDF eine ganze Batterie von Experten aufmarschieren, 26 an der Zahl , die im Doku-Drama Der Patriarch Aufstieg und Fall des Uli H. erklärten. Vom Metzgerssohn aus Ulm zum Steuersünder vom Tegernsee, da wurde nichts ausgelassen.

Menschen, die Hoeneß gut kennen, solche, die ihn schon einmal gesehen haben, und solche, deren Namen Hoeneß selbst noch nie gehört hat, wechselten sich vor der Kamera ab und lieferten ein Psychogramm wenig überraschenden Inhalts: Da hat einer geglaubt, er könne alles und jeden kontrollieren, um dann vom Landgericht München ein bisschen Zeit des Erwachens geschenkt zu bekommen. Dreieinhalb Jahre, so viel Haft gab es für 28,5 Millionen Euro hinterzogene Steuern.

"Man will Kohle verdienen - und das ist frevelhaft"

Niemand aus dem Kreis der Familie Hoeneß, auch niemand aus dem engen Kreis des FC Bayern hat an der ZDF-Doku mitgewirkt, ebenso wenig wie am zweiten Film, der auf der Steuersache Hoeneß basiert: Die Udo Honig Story (Regie: Uwe Janson/Buch: Janson, David Ungureit) geht an diesem Dienstag um 20.15 Uhr bei Sat.1 auf Sendung.

Die Dreharbeiten zu der Komödie legten zwar an einem Sonntag im vergangenen März einmal kurz den Münchner Marienplatz lahm, weil die Film-Crew auf dem Rathausbalkon drehen durfte. Ansonsten sucht man echte Schauplätze, die Säbener Straße oder die Arena, aber vergeblich. Sowohl Hoeneß selbst als auch der Verein haben an der Vermarktung des Kriminalfalles durch Dritte kein Interesse. In seiner Abschiedsrede vor den Bayern-Mitgliedern im Mai 2014 sagte Hoeneß: "Es werden fünf Bücher über mich geschrieben, alle diese Leute haben mit mir kein Wort gewechselt. Es wird nicht darum gehen, dass man informieren will, nein, man will Kohle verdienen - und das ist frevelhaft."

An keinem Buch hat irgendein Hoeneß mitgewirkt, auch die ZDF-Doku neulich stieß auf beinahe subtilen Widerstand: Bis zwei Tage vor dem Sendetermin war unklar, ob der Film umgeschnitten werden muss, weil die DFL, der Dachverband der Profiklubs, die mündlich zugesicherten Lizenzrechte an TV-Bildern plötzlich nur gegen Vorlage einer Einverständniserklärung des FC Bayern herausgeben wollte. Um ein paar TV-Bilder geht es dabei wohl nicht - eher um die Deutungshoheit der Person Hoeneß.

Gar nicht so unlustig wie das Vorhaben befürchten ließ

Dass sich jetzt gleich zwei TV-Projekte mit dem Steuerfall befassen, der ernsthafte Patriarch neulich und heute der heitere Udo Honig (mit Uwe Ochsenknecht als Udo Honig alias Uli Hoeneß), führt den Bayern und ihrem Ex-Präsidenten vor, wie der juristische Schlusspunkt unter seiner Karriere als Bayern-Macher den Blick auf seine Lebensleistung überwölben könnte.

Udo Honig setzt an, wo Der Patriarch aufhört: nach dem Urteil, beim Haftantritt. Der Film - gar nicht so unlustig wie das Vorhaben befürchten ließ - geht den harten Stoff spielerisch an, in einer fiktiven JVA mit Wärtern in Fantasieuniformen und Häftlingen mit Rückennummern auf dem Knast-Kittel (Honig trägt die Zehn des Spielmachers). Auch diesem Film liegt die Annahme zugrunde, Hoeneß alias Honig sei ein Mensch, der glaubt, die einzige Bezugsgröße in seinem Handeln sei er selbst. Ihm kann keiner.

Entsprechend arrangiert sich Udo Honig mit dem Leben im Knast und macht auch dort Karriere. Die Auseinandersetzung mit seinem fehlerhaften Handeln, der Steuerhinterziehung, liefern die Therapiestunden mit der Knast-Psychologin, die sich seiner Einflussnahme zu entziehen versucht. Da werden schon mal ein paar ernste Wahrheiten gelassen ausgesprochen, sie gehören zu den besseren Momenten des Film - wie auch Uwe Ochsenknecht als honigsüßer Hoeneß. Er ist dem Original fast erschreckend ähnlich, im Profil könnte es auch der hinein montierte echte Hoeneß sein.

Die Lebensversicherung des Sat.1-Films ist ohnehin seine Besetzung. Heiner Lauterbach als Gefängnisdirektor, Hannes Jaenicke als Franz Kaiser (Beckenbauer) oder Wolfgang Fierek als Paul Greitner (Breitner) spielen mit viel Lust und so souverän, dass man dem Drehbuch fast die peinliche Verballhornung der Namen durchgehen lassen möchte.

Nur bei Karl-Heinz Rummenigge, der im Film als "Guido" den FC Rot-Weiß Oberbayern führt, sind die Autoren ein bisschen hintergründiger vorgegangen: Peter Kremer sieht Rummenigge weder ähnlich noch trifft er dessen Sprachmelodie, trägt dafür aber an jedem Arm eine teure Uhr. Das reicht, um ihn als Rummenigge zu identifizieren, der es mit dem Zoll bei der Einfuhr teurer Sammleruhren schon mal nicht so genau genommen hat.

Bleibt die Frage: Wie lustig ist der Gefängnis-Alltag wirklich?

Schadenfreude als einkalkulierter Reflex

Das Lachen kann schon mal im Hals stecken bleiben, wenn Udo Honig in der Knasthierarchie nur langsam aufsteigt, verprügelt und geschnitten wird. Der Film bleibt dicht dran an der Wirklichkeit. Der Tod seines Hundes, den Hoeneß über alles liebte, wird ebenso verarbeitet wie die Indiskretionen, die es über die Gefängnismauern direkt in die Boulevardblättern geschafft haben. Einige Szenen sind traurig, andere ein bisschen zu voyeuristisch neben den vielen, deutlich fiktiven Spielszenen. Als sollte das Publikum eben doch den echten Hoeneß im Knast erleben dürfen und nicht den falschen Honig - mit der Schadenfreude als einkalkuliertem Reflex.

Denn bei aller Witzigkeit: Natürlich ist auch die Satire eine Charakterstudie, die nur vom Ende her gedacht ist - der Steuerfall als logische Konsequenz eines Lebens im Machtrausch. Der Porträtierte und sein Kreis sehen das freilich ganz anders: Für sie ist es nur der eine Ausrutscher in einem ansonsten tadellosen Leben. Gerade Hoeneß hat mit seinem während der Gerichtsverhandlung vorgetragen Mantra, "kein schlechter Mensch" zu sein, die Einmaligkeit seiner Verfehlung herauszuarbeiten versucht. Jetzt, in der Rückschau, wird die Gier zu seinem einzigen, bestimmenden Wesenszug, ob dokumentarisch im ZDF belegt oder satirisch auf Sat.1 angedeutet.

Stolz darauf, dass ihn niemand wirklich kenne

Uli Hoeneß selbst mag solche Stigmatisierungen nicht, mochte sie auch nicht, als er sich noch dagegen zur Wehr setzen konnte. Er war, im Gegenteil, immer stolz darauf, dass niemand ihn wirklich kenne, trotz aller Öffentlichkeit, in der er lebte und agierte. Daher rührt auch der Glaubenskrieg nach dem Urteil gegen ihn: Den einen galt er als endlich abgestürzter Großkotz. Die anderen waren entsetzt über die hohe Strafe für diesen tollen Mann.

Die Udo Honig Story löst diesen Widerspruch ebenso wenig auf wie die ZDF-Doku. So darf man wenigstens gespannt sein, bis sich der einzig wahre Hoeneß selbst seiner Geschichte stellt: Irgendwann wird Uli Hoeneß wieder Uli Hoeneß sein.

Die Udo Honig Story, Sat.1, Dienstag, 20.15 Uhr

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