Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit:Angst vor kritischen Fragen

Björn Höcke zeigt beim abgebrochenen Interview mit dem ZDF, dass er die Pressefreiheit fürchtet. Es war richtig, dies auch publik zu machen.

Kommentar von Laura Hertreiter

Die Interview-Ruine, die das ZDF ins Internet gestellt hat, liefert ordentlich Zündstoff. Hat der thüringische AfD-Chef Björn Höcke nun dem Interviewer gedroht - oder war das harmlos? Hat dieser zu Recht abgelehnt, das Ganze noch einmal neu aufzuzeichnen? Und ist die Veröffentlichung des Videos die richtige Entscheidung? All die medial und im Netz diskutierten Fragen sind relevant, aber sie lenken ab vom eigentlichen Kern des Gesprächs.

Es ist ein altes Muster: Wenn AfD-Politiker Grenzen überschreiten, droht durch die oftmals präzise kalkulierte Empörung der Fokus auf das wirklich Interessante zu verrutschen. In dem Fall: auf die 13 Minuten, in denen sich der ehemalige Geschichtslehrer Höcke auf Fragen dazu, warum er sich so heftig am Vokabular des Naziregimes bediene, selbst entlarvt. Als einer, der NS-Terminologie ausweiten will, indem er sprachliche Eingrenzung beklagt. Der freimütig von "Entartung" sprechen möchte, und vom "Lebensraum". Der "Feindzeugen" in der eigenen Partei identifiziert. Einer, der gezielt mit provokanter Rhetorik, nicht mit Inhalten punkten will. Einer, der dann zu alldem lieber "schöne Sachfragen" gestellt bekommen will, und den Journalisten offenbar als Jukebox versteht.

Mehr Einfluss auf gestellte Fragen wünschen sich immer mal wieder auch Politiker anderer Parteien, auch Konzernbosse und Promis aus der Unterhaltungsbranche. Ein Interview ist eben immer ein Gespräch, in dem sich die Erwartungen der Parteien verkanten können. Im schlimmsten Fall platzt das Interview - meist unbemerkt von der Öffentlichkeit, weil nichts davon publiziert wird. Im Fall der AfD aber - einer Partei, die die Arbeit mit Medien neu verhandeln will - war es richtig vom ZDF, den Fall öffentlich zu machen. Am Ende des Videos reagiert Höcke mit Flucht und Drohgebaren, beides oft Begleiterscheinungen von Angst. Für Angst gibt es meist gute Gründe. Eine freie Presse zählt nicht dazu.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019/swi
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