Eigentlich wirkt alles ganz nett, so im ersten Moment: Niemand wird rot, niemand laut. Macron hat besonders blaue Augen, Le Pen diese rauchige Stimme. Dabei ist gar nichts nett an diesem Duell. Schuld an einem solchen Fehleindruck ist für Außenstehende natürlich die französische Sprache, dieser betörende Singsang, der ein Duell kurzfristig harmlos erscheinen lässt, das an Beleidigungen und gegenseitigen Vorwürfen kaum zu übertreffen ist. "Madame Le Pen" sagt Emmanuel Macron immer wieder, in tadelndem Tonfall und mit hochgezogenen Augenbrauen herüberschauend, ganz nach dem Motto: "Aber Madame, das können Sie doch nun wirklich nicht ernst meinen." Und wie es sich als Reaktion auf eine väterliche Rüge gehört, schießt Le Pen bissig zurück. Macron sei ein "arroganter, kaltherziger, verwöhnter Banker, der den Weg frei mache für islamistischen Terror". Neben unsachlichen Vorhaltungen glänzt Marine Le Pen, Hardlinerin der Herzen, vorrangig mit bemerkenswert schlechter Vorbereitung: Sie verwechselt den Verkauf zweier Unternehmen, schaut immer wieder hektisch auf ihre Notizen, die ihr nicht viel Inhaltliches zu verraten scheinen. Das hindert sie jedoch nicht daran, Macron der "wilden Globalisierung" zu bezichtigen, ihn als Ziehsohn Angela Merkels zu karikieren und zu erklären, sie selbst werde "Deutschland leiden lassen". Macron wirft ihr im Gegenzug vor, das Land zu spalten. Sie sei "korrupt, respektlos, gefährlich nationalistisch und eine Lügnerin". Das Niveau der Diskussion sinkt zeitweise auf das eines Kindergarten-Schlagabtauschs: "Monsieur Macron, Sie sind nicht glaubwürdig." - "Ich bin glaubwürdiger als Sie!"
Am Ende sind potenzielle Wähler wohl kaum schlauer, Inhalte mussten persönlichen Gefühlen weichen. Auch, weil es den Moderatoren zwischenzeitlich 15 Minuten am Stück nicht gelungen ist, die beiden Politiker zu stoppen. Und einmal mehr hat sich bewiesen, was Jaques Chirac schon 2002 konstatierte, als er sich weigerte, ein TV-Duell mit Le Pens Vater zu bestreiten: "Mit Rechtsradikalen kann man nicht diskutieren."