Hip-Hop-Doku:Wer, wenn nicht wir

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Der erste Hip-Hop-Milliardär: Dr. Dre und sein Geschäftspartner Jimmy Iovine wurden durch Kopfhörer reich. (Foto: Netflix)

Dr. Dre und Jimmy Iovine führte eine sagenhafte Musikkarriere aus der Gosse zu den Goldplatten. Eine Dokuserie über zwei stilbildende Pop-Größen.

Von Julian Dörr

Von all den monströsen Dingen, die die Monster-Businessmänner, Monster-Produzenten und Monster-Innovatoren Dr. Dre und Jimmy Iovine geschaffen haben, ist das monströseste: Beats Electronics. 2006 gründeten die beiden eine Kopfhörer- und Lautsprecherfirma. Wobei Beats Electronics als solche zu bezeichnen, eine ungeheure Untertreibung ist. Es ist vielmehr: eine Firma für urbane Statussymbole. Beats by Dre trug plötzlich jeder, der auf die eigene popkulturelle Relevanz bedacht war. Vom Fußballspieler bis zum Laptop-Leiharbeiter im Großstadtcafé. 2014 kaufte Apple die Firma. Für drei Milliarden Dollar. Es war die größte Akquise in der Geschichte des Konzerns. Und Dr. Dre wurde zum ersten Milliardär im Hip-Hop.

Die vierteilige Netflix-Doku-Serie The Defiant Ones erzählt nun die Geschichte dieses irrwitzigsten und unwahrscheinlichsten Paares des Pop. Auf der einen Seite: Jimmy Iovine, der Rock-Produzent. Ostküsten-Italoamerikaner. Klein, schmal, zäh. Augenbrauen wie ein Urwald, Augenringe wie ein Kanalisationsschacht. Ein Trickser, ein Spieler, ein Gauner. Ein Kerlchen wie ein Möchtegern-Mafiosi aus einem Scorsese-Film. Auf der anderen Seite: André Romelle Young, genannt Dr. Dre. Ein Berg von einem Mann. Der Hip-Hop-König von der Westküste, der Zügellose, der den Gangsta-Rap entfesselte.

Man kann an diesen beiden ganz problemlos die halbe Popgeschichte des vergangenen Jahrhunderts erzählen. Iovine, zu Beginn seiner Karriere als Toningenieur bei Bruce Springsteen, Produzent für Patti Smith, Tom Petty, U 2, Lover von Stevie Nicks, Förderer von Nine Inch Nails, Marilyn Manson, No Doubt. Und Dre: Gründer von N. W. A., "Fuck Tha Police", Rap-Pionier, Soundtüftler, Entdecker von Snoop Dogg und Eminem. Keine Übertreibung: Wer im Musikbusiness nicht irgendwann die Wege von Dr. Dre und Jimmy Iovine gekreuzt hat, der ist ein Niemand.

Zwei arme Jungs nehmen den Weg aus der Gosse zu den Goldplatten

The D efiant Ones erzählt natürlich eine ganz klassisch amerikanische Aufsteiger-Geschichte. Der Weg der armen Jungs aus der Gosse zu den Goldplatten. Dr. Dre und Jimmy Iovine, zwei Trotzige, defiant ones, die ihr Ding machen, gegen alle Widerstände, ja besessen. Vor allem aber ist The Defiant Ones die Geschichte von zwei Früh-und-für-immer-Begeisterten, die alle Menschen um sie herum mit einer niemals zweifelnden Liebe zur Musik anstecken. Die große Leistung dieser Doku liegt darin, dass es ihr gelingt, diese Liebe in Film zu übersetzen. The Defiant Ones lässt seine Zuschauer spüren, was Dre und Iovine spüren. Wenn einer von beiden wieder mit viel Furor über diese Produktion oder jenen Sound spricht, dann imitiert die Tonspur den Effekt, sie verlangsamt sich, sie kleidet sich in Hall, sie fließt vom linken auf den rechten Lautsprecherkanal.

Am Ende, nach mehr als vier Stunden voller Musik-Nerderei und Hammer-Anekdoten aus der Popgeschichte, bleibt: die Geschichte von zwei Irren, die einfach immer ein Stückchen irrer waren als alle anderen.

The Defiant Ones , ab Freitag bei Netflix.

© SZ vom 22.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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