Süddeutsche Zeitung

"heute-show" im ZDF:Da lacht der Ochsenfrosch

Die "heute-show" gilt als Retter der deutschen Fernsehsatire. Dabei scheuen die Pointen der ZDF-Sendung niemals ein Klischee. Eine Haltung erkennt man bei den Machern nicht. Wahrheiten zur Sommerpause.

Von Detlef Esslinger

Es ist in den vergangenen Jahren Mode geworden, die heute-show für phantastisch zu halten. Oliver Welke und seine Kollegen erhalten einen Preis nach dem anderen, und auch Kritiker, die sich ansonsten, ARD und ZDF betreffend, mit ihrer Unerbittlichkeit geradezu brüsten, sehen in dieser Sendung immer nur ein Glanzstück. Warum eigentlich?

Keine Frage, die Sendung ist ein Fortschritt, gemessen an sehr vielem, was sonst unter der Bezeichnung Satire vom Fernsehen verbreitet wird. Der Satiregipfel im Ersten oder Die Anstalt im ZDF sind Unterhaltung für Leute, die wahrscheinlich auch Monitor für Information halten: immer aus der Perspektive von links unten, immer also gegen CSU, Merkel, Kirche, immer nur die ganz, ganz großen Themen, und am liebsten mit der Methode Holzhammer.

So rollen sie in der Anstalt ein Betttuch mit dem Slogan "Europa solid-arisch" herunter. Wer die Pointe nicht kapiert: die Worttrennung!

Die heute-show hingegen ist neben Pelzig hält sich eine der wenigen Satire-Sendungen, die auf ein Festival der Selbstgerechtigkeit keine Lust hat. Nur die Macher dieser beiden Shows trauen sich zudem, über Politiker nicht bloß in deren Abwesenheit herzuziehen, sondern auch die Live-Auseinandersetzung mit ihnen, auf der Bühne, zu wagen; Pelzig immer, Welke immerhin ab und an.

Und nur sie scheinen begriffen zu haben, dass es auch noch andere Themen außer Politik gibt, deren Kern man mit dem Mittel des Spotts freilegen kann. Hier enden aber auch die Gemeinsamkeiten. Die Figur Pelzig zeichnet sich durch ihre Haltung aus, die Haltung des rechtschaffenen Kleinbürgers, der die Welt erklärt, indem er über sie staunt. Welke und Kollegen hingegen sind immer bereit, eine Haltung aufzugeben, sobald sie einer Pointe im Weg steht; und sei die auch noch so platt.

Ende April zum Beispiel. Torsten Albig, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, hatte über Ostern von sich reden gemacht, indem er eine Sonderabgabe für Autofahrer gefordert hatte. Mit dem Geld wollte er Straßen und Brücken reparieren.

Ebenso aufklärerisch wie anti-aufklärerisch

Den Vorschlag kann man für sinnvoll oder für bescheuert halten; Welke aber hatte eine intelligentere Idee, sich damit zu befassen. Er spielte mit dem libidinösen Verhältnis der Deutschen zum Auto, er dachte darüber nach, was man als Politiker wohl tun müsste, um noch mehr Leute gegen sich aufzubringen, als Zumutungen für Autofahrer zu formulieren: "Hundewelpenwurst verkaufen auf dem Marktplatz."

Das war fein karikiert - aber Welke hält einen solchen Stil fast nie durch. "Meister Proper des Nordens", nennt er Albig, den Mann mit der Glatze, noch; "freundliche Eierbirne" fällt ihm ebenfalls ein. Satire? Eher "Mainz bleibt Mainz".

Das ist übrigens ein durchgängiges Merkmal der heute-show: dass sie ebenso aufklärerisch wie anti-aufklärerisch ist. Sie lässt zwei "Zeugen Europas" in einem Sketch einen Hausbesuch machen, in dem diese die Parole entkräften, dass es die EU gewesen sei, die den Europäern die Krümmung ihrer Gurken vorschrieb; Konzerne und nationale Regierungen waren das.

Sie liefert das Bonmot, dass die Politiker der AfD "keine Rechte, sondern Rechthaber" sind und belegt das mit einem Ausschnitt, in dem ihr neuer Europa-Abgeordneter Hans-Olaf Henkel einen Reporter von Phoenix einnordet: "Man kann aus Ihrer Frage klar sehen, dass Sie den wirtschaftspolitischen Durchblick nicht haben."

Großartig. Aber warum, um alles in der Welt, bringen sie zugleich einen Spot, in dem sie die Rede einer sehr konservativen AfD-Frau so zusammenstoppeln, dass aus der Frau eine verkappte Rechtsextremistin wird - indem nur die Wörter "führen", "Führung" und "Autobahnen" übrig bleiben? Warum nennen sie Franzosen "Froschfresser", Politiker "Volksverarscher" und Sigmar Gabriel im Speziellen einen "Ochsenfrosch"? Warum fällt ihnen zu Martin Schulz und Jean-Claude Juncker nur "Der mit der Glatze und der mit der Brille" ein? Mal ist Welke der Satiriker, der dem Volk aufs Maul schaut, mal der Büttenredner, der ihm nach dem Munde redet und alle Klischees bedient, unterschwellig auf jeden Fall.

Dem Volk sind in der heute-show ohnehin zwei verschiedene Rollen zugedacht: die des Publikums, logisch, aber auch die des Opfers. Harald Schmidt hatte immer ein Prinzip, von dem offenkundig nicht alle aus dem Stab Oliver Welkes etwas halten: Schmidt suchte sich seine Opfer "in der Gehaltsklasse von 10 000 Euro an aufwärts", wie er einmal sagte - also Menschen, die sich wehren können beziehungsweise sich ihr Leben in der Öffentlichkeit ausgesucht haben.

Diese Courage hat in der heute-show der Reporter Lutz van der Horst; er fragt auf einem Parteitag der Grünen deren Spitzenkandidatin für die Europawahl: "Frau Keller, Sie sind jung, Sie sind wild - warum sind Sie nicht in einer erfolgreichen Partei?"

Diese Courage ist jedoch zumindest seinem Kollegen Ralf Kabelka eindeutig weniger wichtig. Auf einer Luftfahrtmesse geht er an den Stand der Berliner Flughafengesellschaft. Er greift sich dort aber niemanden aus dem Management, sondern sein Opfer ist ein kleiner Angestellter im T-Shirt, der gerade am Tresen steht. Kabelka brüllt ihm ein "Scheiß Job!" ins Gesicht, lacht ihn aus und zieht sofort ab; sein Kameramann zoomt derweil den überfallenen und überforderten Mann heran.

Demütigung als Form von Witz

Was soll man sagen dazu? Wenn die Reporterfiguren Ulrich von Heesen und Albrecht Humboldt in der Sendung herumschreien, übertüncht ihr Overacting, dass ihnen mal wieder ein Text aufgeschrieben wurde, der als solcher frei von Witz und Kunst ist.

Wenn aber Kabelka auf Bloßstellungstour ist, oder Welke über ältere Menschen, die auf der Bundestagstribüne Platz nehmen, äußert, die seien vom "Motorradklub Die künstlichen Hüften", so geben sie zu erkennen: Demütigung ist für sie eine Form von Witz. Es sind die Momente, in denen die heute-show sogar peinlich ist, in denen der Gedanke kommt: gut, dass nach diesem Freitag Sommerpause ist.

Als Julia Timoschenko, die ukrainische Politikerin, neulich sagte, sie sei bereit, eine Kalaschnikow zu nehmen und Putin in die Stirn zu schießen, fand Welke einen hübschen Ausdruck dafür: "Dumm-Dumm-Geschoss."

Hat er aber selber auch im Sortiment.

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SZ vom 06.06.2014/pak
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