"Hellbound" auf Netflix:In ständiger Angst vor der Hölle

Lesezeit: 2 min

Diakon Yuji (Ryu Kyung-soo), ein Mitglied der Organisation "Neue Wahrheit". (Foto: Jung Jaegu/Netflix)

"Hellbound" gibt tödliche Prophezeiungen. Ähnlich wie "Squid Game" verbindet die Serie aus Südkorea Gewalt mit Gesellschaftskritik.

Von Sophie Schroeder

Mit der neuen Serie Hellbound öffnet Netflix das Tor zur Hölle. Eckdaten: eine Apokalypse, in der Engel und Dämonen Teil eines großen Events sind. Dazu Untergang auf allen Kanälen und sozialen Medien, Bilderkrieg und Kampf um die Deutungshoheit unerklärlicher Phänomene.

Wir sind im Jahr 2022. Unerklärliche Engelserscheinungen prophezeien Bürgern in Südkoreas Hauptstadt Seoul ihren nahenden Tod und nennen ihnen sogar den konkreten Termin. Ist der Countdown abgelaufen, erscheinen die Höllendiener auf die Minute genau aus dem Nichts und morden grausam. Nur ein rauchendes Skelett bleibt übrig. Stets präsent: Smartphone- und Fernsehkameras, die das Geschehen aufzeichnen.

Wer sind hier die wirklichen Monster?

Während sich die Menschen fürchten und die Stadt im Chaos versinkt, nutzt eine religiöse Gruppe, genannt die "Neue Wahrheit", die Gunst der Stunde, um sehr einfache Erklärungen zu bieten. Bei den Opfern handle es sich demnach um Sünder, die von Gott bestraft und in die Hölle geschickt werden. Entsprechend rasant steigt die Mitgliederzahl der Sekte. Ihr militanter Arm namens "Speerspitze" jagt indes diejenigen, die sich den Darstellungen der "Neuen Wahrheit" widersetzen. Der aufrechte Polizeibeamte Jin Kyung-hun und die selbstsichere Anwältin Min Hye-jin stellen sich gegen die fanatischen Anhänger und versuchen, das von Machtgruppen manipulierte Rechtssystem zu entlarven - scheitern aber stringent an immer undurchdringlicheren Strukturen.

Ähnlich wie die Serie Squid Game verbindet Hellbound die Gewalt also mit Gesellschaftskritik. Während bei ersterer allerdings die Kapitalismuskritik im Vordergrund steht, reibt Hellbound sich an der Macht kirchlicher Organisationen, die in Südkorea einen großen Einfluss auf das politische und gesellschaftliche Leben haben. Ohne die Unterstützung der Kirchen können Politiker in Südkorea kaum eine Wahl gewinnen. Gerade die protestantischen "Megakirchen", die in riesigen Arenen mehrere Tausend Gläubige zu ihren Predigten anziehen, machen häufig Politik gegen einen stärkeren Sozialstaat, gegen eine Verständigung mit Nordkorea und gegen ein Anti-Diskriminierungsgesetz, das Frauen und Homosexuelle schützen würde.

In der Serie gipfelt das in den klassischen Dystopie-Fragen: Wer sind hier die wirklichen Monster? Die gefürchteten Wesen, die Menschen grausam töten? Oder doch die Menschen selbst, die die Ängste politisieren und die Gesellschaft noch brutaler machen? Dafür nestelt Regisseur Yeon Sang-ho geschickt an weiteren Themen des Zusammenlebens herum: Ist unser Rechtssystem gerecht? Wer hat den Tod verdient? Wann und wie sterben wir? Was passiert danach? Und wie geht die Gesellschaft mit Unbekanntem und Unkontrollierbarem um?

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Die Fragen bleiben weitestgehend unbeantwortet, beziehungsweise lässt Hellbound den Zuschauer mit den meisten allein. Das erzeugt aber ein Gefühl der Ohnmacht und Angst, das andere Serien über Schockeffekte erzielen. Hier greift es subtil und unterschwellig um sich. Und damit sehr viel mächtiger.

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