Heidi Klum vor dem Topmodel-Finale:Da müssen wir jetzt durch

Germany's next Topmodel - Heidi Klum, Finalistinnen, ProSieben

Wie schleckt man einen Finger möglichst publikumswirksam ab? Luise Will (l.), Heidi Klum und Lovelyn Enebechi (r.) probieren es.

(Foto: dpa)

Schön scheinheilig: Heidi Klum präsentiert ihre Topmodel-Finalistinnen vor dem Finale sicherheitshalber noch einmal in einem Luxushotel der Presse. Fragen zu Knebelverträgen werden genauso weggelächelt wie die nach Magerwahn. Sieht leichtfüßig aus, ist aber kein Zuckerschlecken. Und die "Mädchen" machen brav alles richtig.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Die Königin erscheint in Schwarz. Das macht noch schlanker als Heidi Klum nach der Geburt ihres vierten Kindes inzwischen wieder geworden ist. Scheinbar mühelos können sich die Oberarme der selbsternannten Model-Mama mit denen ihrer vier Nachwuchs-Models messen lassen, mit denen sie am Montagmittag stolz im Waldorf Astoria in Berlin aufmarschiert.

Der äußerliche Zustand von Oberarmen, Oberschenkeln, Bäuchen, Hintern, Fesseln und Haupthaar ist äußerst wichtig für diese Zunft, denn es geht darum, ein Bild von etwas zu vermitteln, das alle haben wollen sollen. Models werben mit ihren Körpern für Produkte, deren teilweise sogar nachgewiesene Nutzlosigkeit durch das begehrenswerte Aussehen der jungen Frauen kompensiert werden soll. Umso entscheidender, dass zumindest dieses Äußere perfekt ist. Schließlich geht es hier um sehr viel Geld.

Man hätte also mit einer angestrengten Crew rechnen können, die zur Pressekonferenz im Berliner Luxushotel aufschlägt, drei Tage vor dem Finale der achten Staffel von "Germany's Next Topmodel" bei Pro Sieben. Aber: Heidi Klum ist ja Profi, wie allerorten kaum jemand jemals müde wird zu betonen. Das bestens konservierte "Mädchen" aus Bergisch Gladbach, mal als "Deutschlands heißester Export", mal als "kaltschnäuzige Scharführerin" betitelt, ist, wie immer bei öffentlichen Auftritten, bester Laune. Und sagenhaft entspannt.

Nicht der Botox-Typ

Noch dazu in Top-Form - und das, obwohl sie an diesem Samstag bereits ihr fünftes Lebensjahrzehnt erreicht. Das veranlasst einzelne Pressevertreter, gezielt nachzufragen. Wie sie damit umgehe, dass sie jetzt schon ihren 40. Geburtstag feiere. Ein gewisser Vorwurf schwingt mit. Klum kontert gekonnt: Sie fühle sich großartig und merke in diesem schnelllebigen Business gar nicht, wie die Zeit vergehe, und irgendeinen Geburtstag feiere man ja immer: "Gestern war ich 20, heute bin ich 40, und morgen schon 50."

Doch die Antwort reicht nicht. Ob sie sich vorstellen könne, der Natur mittels Schönheitschirurgie nachzuhelfen, wird eifrig nachgehakt. Heidi Klum wird ironisch. Diese Frage habe sie ja noch nie gehört. Und ganz bestimmt auch noch nie eine Antwort darauf gegeben. Brav fügt sie an, sie sei nicht der Botox-Typ, ihre Lachfältchen seien ihr lieber als griesgrämig hängende Mundwinkel. Was man halt so sagt.

Überhaupt ist bemerkenswert, mit welchem Eifer sich die Klum den immer selben Fragen und Antworten stellt, auch über die Show, die sie nun schon im achten Jahr moderiert. Es macht ihr sichtlich Spaß, die Regie zu übernehmen, auch über alle Antworten, die "ihre Mädchen" geben. Unvorstellbar, dass auch nur eine der - sehr erwartbaren - Fragen beziehungsweise die bestmögliche Antwort darauf nicht vorher abgesprochen wurden. Und wenn ihr die Antwort ihrer Schützlinge nicht reicht, dann hilft Klum mit ihren eigenen Ausführungen noch mal aus. In dieser Staffel hätten ihre Zöglinge in den Pausen ganz besonders viel für die Schule getan, erzählt sie.

Die vier Finalistinnen tragen ebenfalls schwarze Outfits. Damit es nicht zu langweilig wird: einmal mit Pailetten, einmal mit Miedergürtel, mit verschwindend kurzem Rock und einmal durchsichtig. Alle betonen unisono, "super viel" von "Heidi" gelernt zu haben. Vor allem: Selbstbewusstsein.

Heidi Klum möchte noch zehn Jahre weitermachen

Allzu viel ist davon in ihren Antworten allerdings nicht zu vernehmen: Die als psychisch am stärksten eingestufte Kandidatin, Krankenschwester Sabrina, 21, betont sogar mit feuchten Augen, sie sei "innerlich ganz klein mit Hut". Und die als Favoritin gehandelte Luise, 19, angehende Krankenschwester, wirkt schon bei der Ankunft, als könne sie vor Nervosität kaum laufen. Die für ihre Zickigkeit in der Sendung oft gescholtene Abiturientin Maike, 18, gibt sich brav wie ein Schaf und eher unterwürfig. "Wir müssen da jetzt durch", sagt sie auf die Frage nach dem in der Sendung emsig ausgebreiteten Streit der Kandidatinnen. Und beeilt sich, zu betonen, dass so schlimm ja nun auch wieder alles nicht sei. Einzig Finalistin Lovelyn wirkt - im Vergleich mit den Konkurrentinnen - erstaunlich gefasst, geerdet, gelassen. Eben selbstbewusst. Umso erstaunlicher: Die Schülerin ist gerade mal 16 Jahre alt.

Germany's next Topmodel - Heidi Klum und Finalistinnen in Berlin

Die Finalistinnen umringen Heidi Klum beim "Fotocall", v. l.: Sabrina, Luise, Lovelyn und Maike

(Foto: dpa)

Alles top, alles wow

Es ist den Teilnehmerinnen dieser Show nicht übelzunehmen, wenn sie einem Bild nacheifern, das Heidi Klum vorlebt: Mittels harter Disziplin berühmt zu werden, eine Menge Geld zu verdienen, die Welt kennenzulernen, für ihre Schönheit bewundert zu werden. Fakt ist nur leider, dass noch keine der Topmodel-Gewinnerinnen es je geschafft hat, ein Topmodel zu werden. Die ein oder andere hat im Mode- oder Showbusiness zarte Bande geknüpft oder gar Fuß gefasst, aber die Karriere eines Topmodels sieht wahrlich anders aus.

Es handelt sich dabei um ein Missverständnis, das systemimmanent ist: Weil hier alles als möglichst "wow" verkauft werden muss, wird eben nicht irgendein Model gesucht, es muss schon top sein. Was danach aus den Kandidatinnen wird, ist komplett egal. Weil dann schon die Vorbereitungen für die nächste Show laufen. "Nach der Show ist vor der Show", strahlt Heidi Klum. Und berichtet auf Nachfrage, dass sie mit Pro Sieben einen Vertrag auf weitere "mehrere Jahre" abgeschlossen habe. Genauer will das auch vom Sender niemand beziffern, aber Heidi Klum sagt: Von ihr aus könne das noch locker zehn Jahre so weitergehen. Und Pro-Sieben-Geschäftsführer Volker Link betont: Mit der Quote "genau auf Vorjahresschnitt" zu sein, sei in einem "fragmentierenden Markt" ein großer Erfolg.

Man kann ihr und auch dem Sender das Beste wünschen, die Frage ist nur, ob das auch das Beste für das Publikum ist. Dazu sagen aktuelle Forschungen: nein.

Magerwahn, Knebelverträge? Keine Ahnung

Psychosomatiker Stephan Herpertz vom Universitätsklinikum Bochum etwa hat im Rahmen einer deutsch-schweizerischen Studie jüngst untersucht, wie junge Frauen zwischen 18 und 28 Jahren durch Sendungen wie GNTM und andere Medien beeinflusst werden. Das Ergebnis war eindeutig: Schon das Anschauen von Modemagazinen erhöhe die Ausschüttung von Stresshormonen in dieser Zielgruppe. Das Selbstwertgefühl der Frauen sinke. Durch die steigende Unzufriedenheit mit sich selbst ändere sich zum Beispiel das Essverhalten, so Herpertz. Daraus könnten sich Esstörungen wie Bulimie oder Magersucht entwickeln. "Frauenverachtende Gehirnwäsche" wurde GNTM deshalb zuletzt im ARD-Report aus Mainz genannt.

Zum Thema Magerwahn wird Heidi Klum an diesem Tag auch befragt. Sie betont: Es komme ihnen in der Sendung nur darauf an, den Mädchen zu vermitteln, dass sie gesund essen sollen. Sie habe immer das Gefühl, das müsse man auch schon von alleine wissen. Passend dazu wurde in einer der letzten Sendungen eine Kandidatin von der Jury heruntergemacht, weil sie es gewagt hatte, eine Portion Pommes zu essen.

Die Fotografen schreien, die Models schlecken

Man wird an diesem Tag den Verdacht nicht los, dass es auch bei diesem Termin wie in sämtlichen Staffeln weniger um die Kandidatinnen geht als um Heidi Klum selbst. Den vielleicht hübschesten Widerspruch gibt es stringenterweise ebenfalls aus dem Mund von Klum zu vernehmen. Befragt nach den viel zitierten Knebelverträgen für die Kandidatinnen und Staffelgewinnerinnen, sagt sie: Sie habe keine Ahnung von irgendwelchen Knebelverträgen, sie sei nur die Moderatorin einer Sendung. Der Rest liege bei Pro Sieben. Und der Pro-Sieben-Pressesprecher gibt den schwarzen Peter zurück - ans journalistische Publikum der Pressekonferenz. Man solle sich nur mal seinen eigenen Arbeitsvertrag anschauen, dann wisse man über Knebelverträge in den Medien wohl Bescheid. Im Übrigen seien die "Topmodels" nicht bei Pro Sieben unter Vertrag, sondern bei One eins - einer Modelagentur, die Günther Klum gehört. Heidis Vater.

Der ist ebenfalls aus Bergisch Gladbach nach Berlin gereist, mit Goldrandbrille und Karohemd. Und begrüßt die Pro-Sieben-Macher mit rheinischem Akzent wie gute Freunde, während ein Security-Mann nur zwei Meter weiter beim "Fotocall" die größte Mühe hat, einen der schreienden Fotografen auch unter Anwendung körperlicher Gewalt davon abzuhalten, die Absperrung zu durchbrechen. Dahinter posiert gerade die nichtsahnende Heidi inmitten ihrer Kandidatinnen für die Kameras, den Finger in eine zu ihrem bevorstehenden Geburtstag gebackene Torte steckend - und dann vorgeblich abschleckend. Die "Mädchen" tun es ihr nach - und versuchen, sich dabei an demonstrativer Verruchtheit zu überbieten. "Bravooo!", ruft der Pro-Sieben-Pressesprecher bei dieser Pose, und klatscht laut für die Umstehenden.

Das sind die Bilder, die die Welt sehen soll.

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