Süddeutsche Zeitung

GNTM auf ProSieben:Heidi Klum ist nicht das Problem

Running Sushi mit Mädchen, Nacktbilder am Strand: "Germany's Next Topmodel" startet zackig in die 13. Runde, der #metoo-Debatte zum Trotz.

TV-Kritik von Ruth Schneeberger

Als unbedarfter Zuschauer könnte man glatt auf die Idee kommen, die Sendungsmacher hätten es diesmal eilig. Eilig, möglichst schnell möglichst viele junge Mädchen durchzuschleusen. Durch eine Sendung, die auch im 13. Jahr nichts anderes macht, als Mädchen durchzuschleusen und auf Weiterverwertbarkeit zu prüfen: Fällt da vielleicht eine Jungmoderatorin ab? Ist hier ein bisschen Unterhaltungswert abzugreifen, womöglich wäre sie etwas für den Bachelor oder gar das Dschungelcamp?

50 Bewerberinnen auf den Titel von "Germany's Next Topmodel" wurden am Donnerstagabend auf ProSieben dabei gezeigt, wie sie nach einem längeren Casting in München allesamt in die Karibik chauffiert werden. Um schon ein bisschen Jetset-Luft zu schnuppern - und dann der Hälfte ihrer Konkurrentinnen dabei zuzusehen, wie sie mal wieder eiskalt abserviert werden. So viele wie noch nie, werden die Juroren nicht müde zu betonen.

Zuvor auserwählt wurden die Modelanwärterinnen von Modelscout Thomas Hayo und Designer Michael Michalsky. Sogenannte Wackel-Kandidatinnen mussten den beiden immer wieder im Kreis vorlaufen, um dann einzeln herausgepickt zu werden - wie lebendes Running Sushi.

Das Abservieren erledigt die Chefin höchstselbst

Doch das Abservieren, das macht Heidi Klum in der Karibik dann schon selbst. Und zwar genau dann, wenn sich einzelne Kandidatinnen schon Hoffnungen gemacht haben auf ein Modelleben mit Modelvilla, Modelstrand und Modelwetter, auf die Sonnenseite des Lebens. Darin ist die Klum die Größte: Mit eiskaltem Lächeln Träume platzen zu lassen. Und Millionen Menschen schauen ihr dabei zu.

Aber eigentlich ist Heidi Klum nicht das Problem an dieser Sendung, das muss man in Staffel 13 nun wirklich einmal feststellen. Wäre sie ein Mann, würde ihr Verhalten kaum Beachtung finden. Ja, ihre sadistisch angehauchten Kurzmoderationen werden nur leidlich überspielt von einem strahlenden Lächeln, das Weltoffenheit suggerieren soll und doch deutliche Züge der Berechnung zeigt. Ja, sie sticht den oft blutjungen Mädchen immer wieder den Dolch der Realität ins Herz ihrer oft naiven Träume. Und ja, sie wirkt dabei selten mitfühlend. Aber hat man etwa einen Dieter Bohlen je als Eisklotz beschimpft? Der ist bei DSDS für teils viel schlimmere Sprüche und weitaus größere Demütigungen bekannt.

Heidi Klum nimmt in diesem Format eine Rolle ein wie alle anderen auch. Ihr Part ist der der gestrengen Modelmama und der supererfolgreichen Unternehmerin mit Shooting-Hintergrund. Viele weitere Rollen konnten diesmal schon in der ersten Folge erfolgreich verteilt werden. Da gibt es die "Schräge", die ständig kichern muss und so lustige Klamotten hat, über die die anderen Mädchen die Näschen rümpfen: Klaudia trägt tatsächlich eine bunt gemusterte Bikini-Hose zum pinken Bikini-Oberteil und hat die Augenbrauen so wild - was für ein verrücktes Huhn aber auch! Exakt derselbe Typ war vor ein paar Jahren schon mal dabei, sie trug nur einen anderen Namen.

Auch das beliebte "Rich Girl" hat seinen Auftritt und darf in der anschließenden Homestory beim Folgeformat "Red" erzählen, welch übles Leid ihr schon in jungen Jahren widerfahren ist: Sie musste für andere Jugendliche den Disko-Einlass organisieren und die zeigten sich nachher nicht mal erkenntlich. Nein, so viel Pech würde man seinem ärgsten Feind nicht wünschen.

Auch das Mädchen "von der Straße" ist dabei, sie leitet im echten Leben eine Putzkolonne und war nun in der ersten Folge schon zweimal "Wackelkandidatin". Eine rheinische Frohnatur mit fitnessgestähltem Körper und zu viel Sex-Appeal für Heidis Geschmack darf nicht fehlen. Sie bringt als Funfact einen echten "Instagram-Husband" mit ein, der mit seiner Popeye-Figur jetzt schon verdächtig ist, Fans als ähnliche Hassliebe-Figur wie ehedem "Honey" zu dienen, der stark polarisierende Freund einer ehemaligen Gewinnerin.

Die Toni, die Heidi und die Klaudia

Und dann wäre da noch die dunkelhäutige Schönheit, die in ihrer Freizeit am liebsten in die Kirche geht und - dank ihrem heißen Draht zu Gott - die Konkurrenz zu überflügeln scheint. Zumindest zeigten diverse Fotoagenturen am gestrigen Tage schon vor Ausstrahlung der aufgezeichneten Sendung, dass Heidi Klum im Verlauf mit der schwarzen Toni und der dann rothaarig gefärbten Klaudia die New Yorker Amfar-Gala besuchen wird. Eingefleischte Fans der seriellen Fleischbeschau wissen: Wer mit ihr auf dieser Society-Sause gesehen wird, ist traditionell in der Show schon weit gekommen und hat echte Chancen auf einen Sieg oder zumindest Heidis kühles Herz erobert.

Kenner der Sendung behaupten, dass sowieso in jedem Jahr die Haarfarbe der Kandidatin die größte Rolle bei der Siegerkür spielt. Andere sagen: Es liegt einzig und allein am Vater. Wen der 70-jährige Günther Klum aus Bergisch Gladbach über seine Modelagentur vermarkten wolle, das entscheide er immer noch selbst, so die Gerüchte.

Gibt es irgendwann ein Happy End?

Doch wer auch immer bei dieser Sendung welche Siege davontragen mag oder auf andere Weise davon profitiert, einen Verlierer gibt es immer wieder: den Feminismus. Seit Beginn der Sendung wird jedes Mal empört darüber geschrieben und dagegen protestiert, dass das hier verbreitete Menschenbild das falsche ist, dass man junge Mädchen wohl besser nicht zu unterwürfigen Untergewichtigen erziehen sollte und Deutschland keine TV-Coaches braucht, die seinen Töchtern beibringen, dass sie in erster Linie zu lächeln und scharf auszusehen haben.

Doch es hilft alles nichts: La Klum und das gesamte Format sind ja auch nur Zeitgeisterscheinungen, die sich mühelos einreihen in eine Regentschaft wie die von Trump (den Heidi Klum für ein Foto natürlich auch schon mal geküsst hat). Sämtliche ähnlich gelagerte TV-Formate drehen sich auch nur um die Verwertung menschlicher Träume und spucken dabei immer neue Verlierer aus. Der "Normcore"-Hype für Modejünger ohne modisches Ansinnen ist - ganz im Gegensatz zum eigentlichen Sinn der Mode - Ausdruck dessen, dass sehr viele Menschen zunehmend auf Gruppenzugehörigkeiten setzen anstatt echte Individualität auszuleben. Youtuber und Influencer glauben von sich selbst, dass sie ihre einzigartigen Persönlichkeiten im Netz präsentieren - und posten doch nur denselben Avocadomatsch mit Gojibeeren in pastellfarbenen Bowls.

Das einzige Problemchen, das Heidi Klum jetzt noch zur Strecke bringen könnte, wäre die #metoo-Debatte. Wenn sogar Boxenluder oder Grid Girls nun abgeschafft werden sollen im Zuge einer generellen Sensibilisierung für frauenverachtende Formate vor und hinter der Mattscheibe, dann könnte es vielleicht sein, dass ProSieben demnächst verkünden wird, dass es keine 14. oder 15. GNTM-Staffel mehr geben soll. Womöglich haben es die Sendungsmacher deshalb diesmal so eilig, noch einmal besonders viele "Meedchen" durch die Sendung zu schleusen und schon in der ersten Folge auf die Nacktbilder zu verweisen, die die zweite Folge zu bieten hat - ein Nacktshooting am Strand. Man muss ja Werbekunden binden.

"Et hätt noch immer jot jejange", beliebt der Rheinländer besonders in diesen tollen Tagen wieder zu scherzen, frei übersetzt: Am Ende geht alles gut aus. Die Frage ist nun, ob das nur für Klum (die mit 44 Jahren gestählter wirkt denn je) und ihre Gefolgschaft gilt - oder für den Rest der Menschheit, der ohne diese Sendung vielleicht besser dran wäre.

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