Heidelberg:Wie Heidelberg Nachrichten einfach gestaltet

Heidelberg: Moritz Damm, 33, verdient sein Geld mit Öffentlichkeitsarbeit. Das Nachrichtenportal Einfach Heidelberg betreut er ehrenamtlich, genau wie seine 30-köpfige Redaktion

Moritz Damm, 33, verdient sein Geld mit Öffentlichkeitsarbeit. Das Nachrichtenportal Einfach Heidelberg betreut er ehrenamtlich, genau wie seine 30-köpfige Redaktion

(Foto: oh)

Als erstes lokales Nachrichtenportal richtet sich "Einfach Heidelberg" an Menschen mit Leseproblemen - und nutzt dafür einfache Sprache, die gar nicht so leicht ist.

Von Viola Schenz

Sein Bummel durch Europa führte Mark Twain im Sommer 1878 auch nach Heidelberg. Dort, unterm Schloss, widmete sich der amerikanische Schriftsteller ausgiebig der "schrecklichen deutschen Sprache". Der Text dient Germanisten noch heute, je nachdem, als Belustigung oder Abschreckung.

Kehrte Twain im Jahre 2016 nach Heidelberg zurück, er würde sich wundern, was sich dort inzwischen sprachlich tut. Etwa wenn er Mitteilungen des städtischen Presseamts zum lokalen Triathlon läse: "Am Sonntag, 31. Juli 2016, treten wieder rund 600 Einzelstarterinnen und Einzelstarter sowie 200 Staffeln beim 24. Heidelberg Man an. Nach dem Startschuss um 9.30 Uhr an der B 37 in Höhe des Neckarmünzplatzes absolvieren die Athletinnen und Athleten auf der olympischen Distanz zunächst zwischen Neckarmünzplatz und Theodor-Heuss-Brücke eine 1,6 Kilometer lange Schwimmstrecke (. . .)."

Und diesen Text vergleichen würde mit dem des Webportals Einfach Heidelberg:

"Am Sonntag, 31. Juli, ist Heidelberg·Man.

Dabei geht es um 3 Sport·arten:

• 1,6 Kilo·meter Schwimmen

• 36 Kilo·meter Rad·fahren

• 10 Kilo·meter Laufen

Das nennt man Tri·athlon.

Tri heißt drei.

Athlon heißt Wett·kampf.

Bei einem Wett·kampf treten Sportler gegen·einander an.

Sie wollen wissen, wer am besten ist.

Der Tri·athlon ist ein Drei·kampf. (...)"

Einfach Heidelberg ist jüngst online gegangen, Sinn und Zweck der Website sei ein "barrierefreies und unabhängiges Nachrichten- und Informationsangebot" für "Menschen mit Lese- und Lernschwierigkeiten in Heidelberg". Sie ist in sogenannter Leichter Sprache verfasst: große Schrift, kurze Sätze, eine Aussage pro Satz, kein Passiv, möglichst kein Konjunktiv, Begriffe werden erklärt, zusammengesetzte Wörter durch Bindestriche oder "Mediopunkte" erkennbar gemacht.

Texte in Leichter Sprache findet man immer häufiger. Die Bundesregierung oder die Bundeszentrale für politische Bildung etwa haben inzwischen ein solches Angebot, und auch viele Städte und Ämter informieren in simplem Deutsch. Einfach Heidelberg allerdings ist das erste lokale Nachrichtenportal seiner Art.

Die Idee dazu hatte Moritz Damm. "Die meisten Websites in Leichter Sprache drehen sich um soziale Themen. Ich halte aber klassische lokale Nachrichten für genauso wichtig und interessant", sagt der 33 Jahre alte Journalist. Und so gibt es auf Einfach Heidelberg die Ressorts Politik, Freizeit, Sport; es geht um eine Übernachtungssteuer für Hotels, um Flüchtlingshilfe oder um die EM-Nachlese. Die Themen wählt eine 30-köpfige Redaktion aus; sie besteht aus Mitarbeitern mit Behinderung und Studenten der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, mit der Damm die Website gemeinsam betreibt. "Unser Nachrichtenportal will erreichen, dass alle Heidelberger unabhängig von Bildungshintergrund, Nationalität, Alter oder Behinderung die Themen in der Stadt miterleben können."

Er hat viel Ambition und Idealismus in die Sache gesteckt. Mehr als ein Jahr dauerte es von der Idee bis zum Freischalten der Website. Damm war früher Redakteur bei einem Nachrichtenportal in Karlsruhe, jetzt verdient er sich den Lebensunterhalt mit Öffentlichkeitsarbeit. Einfach Heidelberg betreut er nebenher und ehrenamtlich - so wie alle anderen in der Redaktion. Geld kommt aus Spenden einer Stiftung und einer Heidelberger Bank, es fließt ausschließlich ins technische Equipment, als Redaktion dient ein Zimmer der Pädagogischen Hochschule.

Gut 100 Nutzer zählt Damm bisher pro Tag, nicht viele, wie er selber sagt, aber man sei ja gerade erst gestartet. Auch das Themenangebot ist nicht üppig, ein bis zwei neue Texte plane man pro Woche. Das liegt auch daran, dass ein Artikel eine knappe Woche braucht, bis er fertig ist; denn hier schreiben eben keine Profis. Man sei der Inklusion genauso verpflichtet wie der journalistischen Objektivität, betont Damm. "Wir wählen die Themen gemeinsam aus, recherchieren sie, führen Interviews." Damm selber achtet als ausgebildeter Redakteur parallel auf die Einhaltung journalistischer Standards, darauf, "dass immer beide Seiten zu Wort kommen".

Zum noch besseren Verständnis sind alle Texte mit Fotos ergänzt, auch die macht die Redaktion. Und weil in Deutschland auch lange nach Mark Twain nichts wirklich einfach nur leicht sein darf, gibt es neben der Leichten auch die "Einfache Sprache", die etwas anspruchsvoller ist, deren Sätze bis zu 15 Wörter beinhalten dürfen. Doch egal ob leicht oder einfach: "Es ist manchmal schwer in Leichter Sprache zu schreiben. Wir mussten das auch erst üben", heißt es auf Einfach Heidelberg.

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