Nach Netflix-Zensur:Ein Komiker für das "neue braune Amerika"

Hasan Minhaj

Rassismus entlarven, aber lässig - das ist das Konzept von Hasan Minhajs Komik.

(Foto: AP)

Von Luise Checchin

Als Hasan Minhaj 2017 seinen Durchbruch in der Comedy-Branche feierte, war das Setting an sich schon eine Pointe. Er, der muslimische Amerikaner mit indischen Wurzeln, moderierte das prestigewürdige White House Correspondents' Dinner, während der von der Presse gekränkte Donald Trump zu Hause blieb und zahlreiche Komiker den Veranstaltern zuvor als Moderator abgesprungen waren. "Niemand wollte das hier machen, also muss es natürlich ein Immigrant tun", scherzte Minhaj.

Minhaj hat es sich seit Beginn seiner Karriere zu einem Anliegen gemacht, für das - wie er es nennt - "neue braune Amerika" zu sprechen. In der Folge seiner Netflix-Show "Patriot Act with Hasan Minhaj", die der Streaming-Dienst in Saudi-Arabien nun auf Druck Riads dort aus dem Netz genommen hat, klingt das zum Beispiel so: Er könne nicht fassen, sagt er da, dass seine nicht-muslimischen Mitbürger erst einen Mord an einem Washington-Post-Journalisten gebraucht hätten, um zu verstehen, dass Kronprinz Salman kein Reformer sei: "Währenddessen dachte sich jede muslimische Person, die du kennst: ,Ach, was ihr nicht sagt. Er ist der Kronprinz von Saudi-Arabien.'"

"Patriot Act with Hasan Minhaj" läuft seit Oktober 2018 bei Netflix. Wöchentlich zerlegt der Komiker darin immer jeweils einen Themenkomplex in seine Bestandteile und reichert ihn mit Gags an. Breitbeinig steht Minhaj auf einer kleinen Bühne und erklärt etwa mögliche Verbindungen zwischen Saudi-Arabien und den Attentätern vom 11. September, während im Hintergrund auf großen Bildschirmen Videoschnipsel oder Fotos eingeblendet werden, die seine Thesen unterstreichen sollen. In der Form hat das Ganze hat etwas von einem TED-Talk: Merkwürdig clean, aber ungemein souverän und unterhaltsam. Inhaltlich steht Minhaj dabei in einer Komik-Tradition, wie sie etwa der Brite John Oliver in seiner "Last Week Tonight Show" vertritt. Comedy also, die nicht nur witzig, sondern auch informativ sein soll, die Fakten recherchiert und Missstände aufdeckt. Die Folgen tragen Titel wie "Öl", "Positive Diskriminierung" oder eben "Saudi-Arabien".

Man kann die Show als die Essenz von Minhajs kurzem, aber schon beachtlichem Schaffen ansehen. 1985 im kalifornischen Davis als Sohn indischer Einwanderer geboren, studierte Minhaj Politik, bevor er sich der Comedy verschrieb. 2014 stieg er als Korrespondent bei der US-amerikanischen Nachrichten-Satire "Daily Show" ein. "Brown in Town" hieß eines seiner Formate, in dem er etwa nach Kentucky reiste, wo ein indischstämmiger Amerikaner ein Fortbildungsprogramm für arbeitslose Kohlearbeiter geschaffen hat, dem Donald Trump - selbsternannter Retter der Kohleindustrie - die Gelder abdrehen will. "Du sagst also, braune Menschen können Amerika wieder groß machen?", fragt Minhaj einen Teilnehmer des Fortbildungsprogramms (einen weißen, übergewichtigen Ex-Kohlearbeiter, der wie das Klischee eines Trump-Wählers aussieht). "Klar doch", antwortet der und die beiden umarmen sich.

Minhaj steht für eine US-Comedy-Szene, die sich immer mehr diversifiziert

Rassismus entlarven, durch Kritik, die pädagogisch wertvoll, aber trotzdem lässig daherkommt, das ist das Konzept von Minhajs Komik. Genau das tat er auch in seiner Show "Homecoming King" aus dem Jahr 2015, die Netflix später als Comedy Special aufzeichnete. Darin erzählt er nicht nur von den Ausgrenzungserfahrungen, die er als indischstämmiger Muslim in den USA erlebt hat, sondern auch davon, wie er sich als Jugendlicher von seinem traditionell geprägten Elternhaus emanzipiert hat. Minhaj steht damit, ähnlich wie seine Kollegen Aziz Ansari oder Ali Wong, für eine US-Comedy-Szene, die sich immer mehr diversifiziert und damit ein immer vielfältigeres Publikum anspricht.

Wie wohltuend das ist, macht Minhajs Saudi-Arabien-Folge deutlich. John OIiver könnte in seiner Show zwar einen klugen und schlagkräftigen Monolog über die Verfehlungen Saudia-Arabiens halten. Aber er könnte sich eben nicht, wie Minhaj es tut, auf eine Bühne stellen und sagen: "Als Muslime beten wir nach Mekka, wir pilgern nach Mekka, wir erhalten Zugang zu Gott durch Saudi-Arabien. Ein Land, das, wie ich finde, nicht unsere Werte repräsentiert." Minhaj hält seinen Saudi-Arabien-Monolog als Amerikaner und als Muslim und er kritisiert dabei das Verhalten der USA genauso wie das seine Glaubensbrüder. Er tut das so entlarvend und pointiert, dass man sich über den Unmut Riads kaum wundert. Wobei - und diese Pointe müsste Minhaj eigentlich gefallen - Saudi-Arabien mit seiner Zensur-Forderung ja nur bestätigt, was der Comedian in seiner Show kritisiert.

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