Süddeutsche Zeitung

Harvey Weinstein und die Medien:"Sie kaufen Journalisten"

Lange hat es gedauert, bis die sexuellen Übergriffe Harvey Weinsteins öffentlich wurden. Nun fragen US-Zeitungen: Hatte der Produzent Einfluss darauf, was die Medien über ihn berichteten?

Von Carolin Gasteiger

Von Rose McGowan über Gwyneth Paltrow bis Léa Seydoux: Hollywoods-Schauspielerinnen brechen nach und nach ihr Schweigen und berichten, dass Medienmogul Harvey Weinstein ihnen gegenüber zudringlich geworden sei. Nun erreicht der Skandal um Weinstein die US-Medien. Denn Weinstein konnte, solange er noch zu den einflussreichsten Hollywood-Produzent gehörte, nicht nur Karrieren im Filmgeschäft beeinflussen - sondern er wollte auch bei der Berichterstattung über ihn lenken. Das legen Berichte in mehreren US-Zeitungen nahe. Gelang ihm das?

Da wäre zum einen Ronan Farrow. Der NBC-Reporter - und Sohn von Mia Farrow - hatte seinem Sender schon im August eine Geschichte über Weinstein und die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen ihn angeboten, an der er laut eigener Aussage zehn Monate lang recherchiert hatte. Allerdings weigerten sich die NBC-Verantwortlichen, die Geschichte zu bringen. Warum? "Das müssen Sie NBC fragen", wetterte Farrow in einer Talkshow auf MSNBC. Er bot das Stück dem Magazin The New Yorker an, das es schließlich vergangenen Dienstag veröffentlichte. Wenige Tage, nachdem die New York Times den Skandal um Weinstein ausgelöst hatte. Nun lautet der Vorwurf, NBC habe Weinstein decken wollen.

Der Senderverbund stand im vergangenen Jahr bereits unter Verdacht, die Aufnahme, auf der Donald Trump sich diskriminierend über Frauen äußerte ("Grab them by the pussy") zurückgehalten zu haben. NBC wehrt sich bei einer Mitarbeiterversammlung vehement: "Der Vorwurf, wir würden eine einflussreiche Person decken, ist zutiefst beleidigend." Die "unglaubliche Geschichte", die der New Yorker veröffentlicht habe, sei nicht diejenige gewesen, die sie vor mehreren Monaten gelesen hätten, so Senderchef Noah Oppenheim. Allerdings berichtet die Washington Post, Weinsteins Anwälte hätten die NBC-Redaktion kontaktiert und ihre Bedenken gegen Farrows Veröffentlichung vorgetragen. Weinstein drohte, so mutmaßt die Washington Post, mit Klage, um diejenigen, die kritisch über ihn berichten wollten, zum Schweigen zu bringen.

Einflussversuche bestätigt auch Rebecca Traister vom New York Magazine. Auf der Website The Cut schreibt Traister, viele Journalisten seien von Weinstein bezahlt worden und hätten als Berater für Filme oder als Autoren für ihn gearbeitet. Ein ehemaliger Boulevardjournalist erzählt der Huffington Post über Weinsteins Team: "Sie kaufen Journalisten, sie bedrohen Journalisten, sie tun was auch immer nötig ist." Verdächtig wirkt auch der Versuch, von dem Washington-Post-Reporterin Margaret Sullivan berichtet: Kurz bevor die New York Times die Geschichte über Weinstein lancierte, habe jemand der Zeitung "negative Informationen über eine der Anklägerinnen" angeboten. An Zufälle ist im Weinstein-Skandal nur schwer zu glauben.

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SZ vom 13.10.2017/luch
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