"Hart aber fair" zur Schweizer Volksabstimmung:Kuscheln am rechten Rand
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Christine Haderthauer sucht nach Freund und Feind und AfD-Mann Bernd Lucke hüpft fast auf den Schoß eines Schweizer Gesinnungsgenossen. Aber was bedeutet das Schweizer Ja zur Begrenzung der Zuwanderung nun? Frank Plasberg müht sich mit der Antwortsuche.
Eine TV-Kritik von Matthias Kohlmaier
Für Christine Haderthauer war der Termin im montäglichen Polittalk von Frank Plasberg keiner der besonders angenehmen Art. Europawahlen stehen an, ihre CSU will weder Stimmen an die derzeitige Zwangsgeliebte SPD verlieren noch den Koalitionspartner vergrätzen. Noch sich von der AfD zu ihrer Rechten das Wählerpotenzial abgraben lassen. In dieser schwierigen Balancehaltung also verbrachte Haderthauer bei "Hart aber fair" geschlagene 75 Minuten damit, herauszufinden, wer Freund ist und wer Feind.
Die Schweizer haben sich am vergangenen Sonntag in einer Volksabstimmung dafür ausgesprochen, die Zuwanderung in ihr Land künftig reglementieren zu wollen. Das bedeutet nichts weniger als das Ende der Freizügigkeit, wie sie derzeit zwischen Europäischer Union und Schweiz vertraglich geregelt ist. Drei Jahre hat die Regierung in Bern Zeit, den Beschluss umzusetzen. Einen Beschluss, gegen den sie vor der Abstimmung intensiv opponierten.
AfD-Chef Bernd Lucke frohlockt
Werbung für die Beschränkung hatte dagegen die Schweizer Weltwoche mit ihrem Chefredakteur Roger Köppel gemacht. Und da Köppel ohnehin immer gern in deutsche Talksendungen eingeladen wird, wenn ein Rechtskonservativer gebraucht wird, durfte er auch bei Plasberg wieder Platz nehmen. Dass er dabei ganz rechts außen saß, war gewiss Zufall, und keine geplante Entscheidung der "Hart aber fair"-Redaktion. Er selbst habe natürlich für die Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) gestimmt, stellt Köppel in seinem ersten Redebeitrag sicherheitshalber noch mal klar. Er finde die "eindringlich besungene Personenfreizügigkeit durchaus problembehaftet".
Es sind EU-kritische Zitate wie dieses - mal deutlicher, mal verschwurbelter - die Köppels Nebensitzer, AfD-Chef Bernd Lucke, mehrfach frohlocken lassen. Er spüre schon länger auch in Deutschland ein Unbehagen gegenüber der Zuwanderung in das Sozialsystem, sagt der euroskeptische Spitzenkandidat für die Europawahl. Gegen Ausländer an sich hat Lucke aber natürlich nichts. Und das mit dem "Bodensatz" in seinen Wahlkampfreden habe er ja gar nicht so gemeint. Unverkennbar trotzdem, dass er während des gesamten Gesprächs immer weiter nach rechts rutscht - hätte die Sendung nur ein paar Minuten länger gedauert, Lucke hätte es sich vermutlich auf dem Schoß von Köppel gemütlich gemacht.
Den zwei EU-kritischen Hardlinern entgegen stellten sich SPD-Politiker Ralf Stegner, Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther und der Journalist und Leiter des ARD-Studios in Brüssel, Rolf-Dieter Krause. Wobei doch sehr überraschte, wie wenig der an sich eloquente Redner Stegner den Luck'schen Parolen entgegenzusetzen hatte. Mantraartig wiederholte er nur: "Für Deutschland wäre eine Reglementierung der Zuwanderung furchtbar." Viel mehr war argumentativ nicht drin, gegen Ende blieb der Vorwurf, Lucke betreibe "mit professoralen Worten Hetze gegen Ausländer".
Dem dauergrinsenden Wirtschaftsprofessor Lucke allerdings ist mit solchen Anschuldigungen nicht beizukommen. Und so forderte der AfD-Mann weiter mehr Bürgermitbestimmung in Deutschland nach Schweizer Vorbild und lächelte gelegentlich Köppel beinahe verliebt an, wenn der versuchte, den Anwesenden eine kleine Nachhilfestunde in Demokratie zu erteilen. Zur Kritik des Sozialdemokraten Stegner am Schweizer Entscheid zum Beispiel hatte der Publizist folgendes parat: "An ihrem Veto sieht man, dass Sie aus einem Land mit einer relativ jungen Demokratie kommen." Kurzes Raunen im Publikum. Puh.
Ganz gleich, wie alt die Demokratie ist, in der wir leben - eine Frage stellt sich tatsächlich: Wie würden die Deutschen entscheiden, wenn ihre Demokratie ihnen eine direkte Abstimmung wie in der Schweiz möglich machte? Eine eingespielte Straßenumfrage liefert in Plasbergs Studio den dezenten Tenor: Ausländer raus beziehungsweise gar nicht erst rein. Ein Pass in die Tiefe, den Lucke gerne verwertet. Die Erwerbstätigkeit sei nur der dritthäufigste Grund, aus dem Menschen nach Deutschland kämen. Warum die beiden wichtigeren Gründe - Studium und Umzug zu anderen Familienmitgliedern - schlechter sein sollten, verschweigt er allerdings.
Haderthauer schimpft Lucke einen "Heuchler"
Auffällig dabei ist, wie Christine Haderthauer Lucke während solcher Ausführungen anschaut: lächelnd und monoton nickend. Was ist dieser Lucke für sie und die CSU? Konkurrent oder potenzieller Koalitionspartner? Freund oder Feind? Immerhin fällt Haderthauer kurz vor Ende der Sendung noch ein, dass es vielleicht nicht verkehrt wäre, sich noch ein bisschen von der AfD abzugrenzen. Einen "Heuchler", schimpft sie Lucke. Der hatte zuvor eingeworfen, dass er eigentlich gar nicht wolle, dass hochgebildete Bulgaren und Rumänen ihr Land verlassen. Weil das den Ländern schade, versteht sich. "Ich würde als Deutscher eine Partei wie die AfD begrüßen", lobt Weltwoche-Chef Köppel.
Aber was bedeutet denn nun der Schweizer Entscheid? Wie könnten die künftigen Beziehungen zur EU aussehen? Am Ende steht, was diese Fragen angeht, eine Talkshow mit mäßigem Erkenntnisgewinn. Ob Christine Haderthauer Freund und Feind erkannt hat, bleibt auch unklar. Frank Plasberg kann man all dies nicht anlasten. Er führte souverän durch die Sendung, hakte ein, fragte nach. Und fuhr den Beteiligten, egal, ob sie nun rechts oder links im Halbrund platziert waren, im Notfall über den Mund.
Dass viel krakeelt und wenig diskutiert wurde, ist trotzdem schade. Wie dem symbiotischen Anti-EU-Pärchen Köppel/Lucke beizukommen gewesen wäre, zeigte am Ende nicht der Politiker Stegner, sondern ARD-Mann Krause. Der sagte zu Köppel: "Sie dürfen in der Schweiz beschließen, was Sie wollen. Aber wir müssen nicht über jedes Stöckchen springen, dass Sie uns hinhalten." Köppels Antwort: "Da haben Sie recht."