Süddeutsche Zeitung

"Hart aber fair":Für eine Corona-Pointe ist es diesmal zu ernst

Bilder aus dem Krankenhaus liefern mehr Gewinn für die Debatte als die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Politiker. Mit viel Einsatz presst der Moderator aber aus einem FDP-Mann ein überraschendes Bekenntnis zur Impfpflicht heraus.

Von Kathrin Müller-Lancé

Es vergeht einem allmählich die Lust, in den Corona-Talkrunden nach lustigen Pointen zu suchen. Zu ernst scheint die Lage mittlerweile zu sein, zu ähnlich laufen die Diskussionen ab - und zu wenig passiert am Ende. "Noch ein Corona-Winter: Halten die Krankenhäuser das durch?", ist das Thema dieser "Hart aber fair"-Sendung, und so bitter das klingt: Es ist der Debatte zuträglich, dass an diesem Abend nur zwei von sechs Gästen Politiker sind.

Die Sendung beginnt - stark und anders als sonst - mit einer siebenminütigen Reportage von der Corona-Station, die der Lungenarzt Cihan Çelik am Klinikum Darmstadt leitet. Man sieht, wie das Personal mit Betten jongliert. "Was viele Menschen natürlich verstehen müssen, ist, dass der Engpass nicht Geräte und Betten sind, in die man sich reinlegt, sondern Pfleger und Personal, die sich um die Menschen kümmern müssen", sagt Çelik.

Besonders eindrücklich ist ein 32-jähriger Patient, der mit schwacher Stimme und Beatmungsschlauch in der Nase spricht. Auf Çeliks Frage, warum er sich nicht habe impfen lassen, fasst er sich nur mit der Hand an den Kopf. "Es war hirnrissig, es nicht zu tun. Sie sehen ja, wohin es führt", sagt er. "Ich würde mich jetzt jede Woche impfen lassen, von mir aus."

Der Beitrag und Çeliks Schilderungen machen deutlich, vor welchen gigantischen Problemen die Krankenhäuser im Moment stehen. Umso kleiner wirkt es, wie sich die beiden geladenen Politiker zunächst vor allem in gegenseitigen Schuldzuweisungen üben. CSU-Generalsekretär Markus Blume stänkert gegen "die Regelung, die die Ampel-Parteien jetzt im Bundestag beschlossen haben", der stellvertretende Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Joachim Stamp (FDP), kontert: "Herr Blume, Sie hätten die entsprechenden Maßnahmen schon viel früher beschließen müssen, und das wissen Sie auch."

Mal richtig christlich über Ungeimpfte ärgern, das geht

Erfrischend klar wirkt dagegen die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus. Ein Mensch könne sich "auch ruhig christlich" über einen anderen ärgern, sagt sie über den Groll, den viele Geimpfte gerade gegenüber Impfgegnern empfinden. Ihr Kommentar zur Impfpflicht: "Bei mir ändert sich da gerade eine Position. Wir lernen ja." Nur um später hinterherzuschieben: "Wir haben jetzt eine so brandgefährliche Situation. Da ist mir jetzt der Schutz der vulnerablen Gruppen wichtiger als das Zusammenführen unterschiedlicher Meinungen."

Auch CSU-Mann Blume, bekanntermaßen in Söders "Team Vorsicht" spielend, verweist auf "Prozesse, die jeder im Kopf hatte", und spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht aus. Und als Plasberg sein Pult verlässt und sich vor FDP-Mann Stamp aufbaut, presst der Moderator schließlich sogar eine Art Bekenntnis zur Impfpflicht aus ihm heraus. "Wenn wir uns angucken, wie wir aus dieser Spirale rauskommen wollen, habe auch ich eine große Skepsis, wie das anders gehen soll", sagt der Liberale. Und: "Ich persönlich kann es mir vorstellen, ja." Wie genau eine Impfpflicht kontrolliert und sanktioniert werden würde, präzisieren die Politiker nicht. Zunächst sei ja das Signal ein entscheidendes, findet Blume.

Das Schlusswort zur Sendung räumt Plasberg der Kirchenfrau Kurschus ein. In 50 Sekunden solle sie doch einmal formulieren, was sie sich von den Politikern wünsche. Ihre Antwort: "Dass sie in dem, was sie entscheiden und tun, wirklich als Allererstes die Menschen sehen und nicht die potenziellen Wählerinnen und Wähler, die ihnen ihre Stimmen geben." Keine Pointe.

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