Süddeutsche Zeitung

"Hart aber fair" zur Bundestagswahl:Ein bisschen Suspense dank leerem Stuhl

Mit den Fraktionsvorsitzenden soll es kurz vor der Wahl noch mal richtig spannend werden. Immerhin kommt einer zu spät, ansonsten bleibt die Debatte ziemlich erwartbar.

TV-Kritik von Kathrin Müller-Lancé

Die Fragerunden der Vorwahlzeit haben ja bereits einige eigentümliche Vokabeln hervorgebracht. Triell zum Beispiel, oder Vierkampf. Nicht minder unangenehm könnte man die Runde an diesem Montagabend vielleicht als Sechskampf bezeichnen. Eine knappe Woche vor dem Wahlsonntag jedenfalls hat Frank Plasberg die Vorsitzenden der sechs Bundestagsfraktionen auf seine Talkhocker gesetzt - oder wie er es selbst nennt: "das parlamentarische Machtzentrum, sozusagen". Unter dem Slogan "Endspurt im Wahlkampf: Wer macht die letzten Punkte?" soll es noch einmal richtig spannend werden, so zumindest die Theorie.

Es beginnt, immerhin ein bisschen Suspense, mit einem leeren Stuhl in der Mitte. FDP-Chef Christian Lindner fehlt noch. Dabei müsste er laut Plasbergs Berechnungen schon da sein: "Christian Lindners Navi sagte eben 21.29 Uhr." Es wird jedenfalls mindestens 21.35 Uhr, bis Lindner reinrauscht in die erste Fragerunde. Das Thema: Was die Parteien für die ersten 100 Tage planen. Lindner, noch im Gehen, debütiert souverän: "Ich kümmere mich um die Verkehrsinfrastruktur."

Für einen Zuspätkommer ist Lindner beeindruckend schnell auf Betriebstemperatur. Es dauert keine zehn Sekunden, da referiert er schon über das Wirtschaftswachstum in den USA und China und einen "Jump-Start" aus der Corona-Krise heraus. "Ich vermute, Katrin Göring-Eckardt sprach vielleicht übers Klima", mutmaßt er sodann und macht auf ein Grundproblem aufmerksam, das den weiteren Verlauf des Abends bestimmen wird: dass sich nämlich auch ganz ohne Zusehen ahnen ließe, wer wie antworten wird.

Weidel bezweifelt Impfschutz

Beim Thema Corona kommt es zum erwartbaren Schlagabtausch zwischen der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und dem Rest der Runde. Weidel, nach eigener Aussage nicht geimpft ("Ich achte natürlich sehr auf meine Gesundheit"), spricht von einer "Zweiklassengesellschaft" und zweifelt an, dass Geimpfte das Virus seltener verbreiten als Menschen ohne Impfung. Betretene bis irritierte Gesichter. "Ich verstehe, dass die Leute Schiss haben, das ist normal im Leben", entgegnet Göring-Eckardt. "Jetzt haben wir aber eine Situation, wo Menschen andere bewusst in Gefahr bringen."

Es folgt eine Diskussion zur Spitzensteuer. Zusammenfassung: Amira Mohamed Ali von der Linken ist dafür, Rolf Mützenich von der SPD eigentlich auch, Christian Lindner eher nicht so.

Bleibt noch genug Zeit für die Parteienvertreter, die jeweiligen Kanzlerkandidierenden anzupreisen. "Annalena ist die, die mit Mut und Tatkraft und übrigens auch Menschlichkeit on stage ist", säuselt Göring-Eckardt über Baerbock. "Er hat im Grunde genommen eine Art und Weise, die richtig gut ist", sagt Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus über Armin Laschet.

Ganz am Ende schließlich blitzt ein Thema auf, das in den bisherigen TV-Debatten keine große Rolle gespielt hat: die Außenpolitik. Angesprochen auf die Nato-Aversion der Linken rudert Amira Mohamed Ali zumindest leicht zurück: Ihre Partei wolle nicht morgen austreten, sondern die Nato zu einem "echten Friedensbündnis auch unter Einbindung Russlands weiterentwickeln". So richtig überzeugt wirken die anderen in der Runde trotzdem nicht. Aber es sind ja noch sechs Tage bis zur Wahl.

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