Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf Harold Evans:Journalismus ist der Kampf mit einem zähen Kerl

Zum Tod von Harold Evans, dem früheren Chefredakteur der "Times", den es wegen Rupert Murdoch nach Amerika verschlug.

Von Willi Winkler

In seiner zweiten Lebenshälfte, in Amerika, war seine Frau Tina Brown viel bekannter als er, doch zu Hause in England gilt Harold Evans bis heute als der bedeutendste Journalist, den die Insel je hatte. Der Sohn eines Lokomotivführers, der den Hitler-Besieger Stalin verehrte, brachte es 1967 an den Eton-Elitisten vorbei zum Chefredakteur der Sunday Times. Als Reporter widmete er sich dem Fall eines zu Unrecht verurteilten Namensvetters, was für die Abschaffung der Todesstrafe in Großbritannien sorgte, er führte einen jahrelangen Feldzug für die Contergan-Opfer und offenbarte, wie sehr der Sowjetspion Kim Philby den britischen Geheimdienst infiltriert hatte. 1981 verband er sich gegen die Vormacht der Gewerkschaften mit dem neuen Besitzer Rupert Murdoch, der ihn zum Dank nach einem Jahr als Chefredakteur der Times feuerte. Evans ging in die USA, lehrte an Universitäten, gründete ein Reisemagazin, leitete Zeitschriften und war Verleger bei Random House, wo er in den lang vergangenen goldenen Jahren seine Autoren mit irrwitzigen Vorschüssen verwöhnte. Sein letzter Gegner war die allmächtige National Rifle Association, die er in Browns Daily Beast angriff. Journalismus sei der Kampf mit dem Teufel, meinte Evans einmal in einem Interview, "aber er ist ein zäher Kerl". Er meinte nicht den Journalismus. Trotzdem schwärmte er bis zuletzt vom "Geruch der frischgedruckten Zeitung". Am Mittwoch ist der Teufelskerl 92-jährig in New York gestorben.

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