Harald Schmidt und Sat1:Transfer des Meisters

Harald Schmidt will nochmal richtig mitmischen. Nun geht er zum Privatsender Sat1 - und hat dort eine ideale Bühne.

Christopher Keil

Es gab vieles, worüber sich Harald Schmidt in den vergangenen Monaten auf seine Weise amüsiert hätte. Es gab auch vieles, über das er sich amüsiert hat, zuletzt Anfang Mai. Damals schickte er Katrin Bauerfeind als Lena ins Studio, "dieser Backfisch, dieser steile Zahn", schmachtete Schmidt, "umarmt vom jüngsten Sender der Welt".

2007! Menschen, Bilder, Emotionen

Einer kommt, einer geht, einer ist schon da: Hrald Schmidt (links), Günther Jauch (rechts) und Oliver Pocher.

(Foto: ddp)

Die Tanzeinlage, Wochen vor dem Sieg Lenas beim Eurovision Song Contest in Oslo, ist der einzige gelungene Versuch gewesen, den ungebremsten Irrsinn um den singenden Teenager aus Hannover zu parodieren. Schmidt war also da, obwohl er gefühlt in einer Sommerherbstwinterpause verschwunden ist. Selbst in Arbeitsphasen fand er als Darsteller komischer Wahrheiten kaum noch statt, und er ist darin nicht einmal ersetzt worden. Für seine unbestimmte Abwesenheit sorgte strukturell vor allem die ARD, die seine Auftritte an späten Donnerstagabenden besonders in der zurückliegenden Staffel immer auf unterschiedliche Anfangszeiten setzte. Wenn man es auszählt, steht ein absurdes Ergebnis unterm Strich. Von 24 Sendungen starteten wohl keine fünf pünktlich.

Dass Schmidt im Ersten, dem Konsens-TV der älteren Deutschen, nicht zur Geltung gekommen ist, haben die Intendanten nun schriftlich. Von Herbst 2011 an bis Sommer 2013 hat sich Schmidt Sat1 verpflichtet. Es ist für ihn die Rückkehr an den Ort seines Aufstieges. Von 1995 bis 2003 etablierte er die Late Night Show als Sendungsform. Er grenzte sich in den Disziplinen Stand Up Comedy, Humor und gespielter oder inszenierter Witz so sehr von allen anderen ab, dass er bis heute nicht eingeholt wurde.

Für die jüngeren Menschen gibt es Stefan Raab, der so viele kreative Spuren im Programm von Pro Sieben hinterlässt wie ganz wenige, ja, Künstler im Privatfernsehen. Es gibt auch Oliver Pocher, 32, den rotzigen Pubertisten, der sich allerdings nur noch in der Grenzüberschreitung wahrnehmen kann. Demnächst versucht es Bejamin von Stuckrad-Barre, 35, wieder, bei ZDF Neo, produziert von Christian Ulmen. Das könnte lustig werden, aber wie lustig? Im kleinen ZDF soll für das große ZDF geübt und entwickelt werden. Immerhin ist eine Late Night Show dabei.

An das universelle Bildungsniveau von Schmidt, an seinen Instinkt für die andere, die richtige Pointe, an seine schnellen Assoziationen bei so ziemlich sämtlichen Themen, die in einer demokratischen, bürgerlichen Gesellschaft verhandelt werden, reicht niemand.

Der ARD war Schmidt nicht mehr wichtig.

Eine lange Weile, sie begann ungefähr 2007, zwei Jahre nach seiner Übersiedlung in die ARD, schien Schmidt sich mit der eigenen Bedeutung zufrieden zu geben. Doch in den vielen Gesprächen, die er vermutlich mit seinem Geschäftspartner Fred Kogel führte, ist beiden möglicherweise bereits 2009 eines deutlich geworden: Strategische Bemühungen, beispielsweise die Bemühung mit Pocher als Co-Host, bringen Schmidt nicht weiter. Das klassische Late-Night-Gewerbe ist seine Stärke. Kogel betonte an diesem Montag anlässlich der Entscheidung Schmidts, wieder bei Sat1 tätig zu werden: "Das Konzept wird die klassische Harald Schmidt Show der früheren Sat-1-Zeit sein."

Alles wird dabei natürlich nicht mehr sein wie früher. Es gibt die "Dicken Kinder aus Landau" nicht mehr stellvertretend für die Jahre, in denen Schmidt die Opposition gegen so eine neue Sendung mit Polenwitzen bekämpfte. Und es gibt Sat1 als Alternative zum ZDF nicht mehr. Trotzdem wird der Entertainer beim Unterschichtenfernsehen, wie er Sat1 einmal nannte, günstigere Bedingungen vorfinden als im Ersten. Der Charme einer klassischen Harald Schmidt Show bestand immer auch darin, dass er ein Programm machte, das zu den Zuschauern und den Quotenzielen von Sat1 nicht passte. Sein politisches, musikalisches Wissen, sein Allgemeinwissen überhaupt, das den zynischen Kern seiner Gags so oft umschließt, schließt das Massenpublikum aus.

Als großer Meister - 53 Jahre alt ist er inzwischen - hatte er bei Sat1 Ende der neunziger Jahre die Deutungshoheit über nahezu alles. Davon ist er bei der ARD weit entfernt gewesen, obwohl er an vielen Abenden in Form war. Man kann es nur vermuten, aber wenn Sat1 jetzt mitteilt, Schmidt werde zweimal wöchentlich zu sehen sein (angeblich montags und mittwochs), dann steckt dahinter vielleicht die Erkenntnis, dass man als Late Night Talker von einer weekly, einer wöchentlichen Sendung, nichts hat.

Harald Schmidt möchte augenscheinlich noch einmal mitmischen, möchte sichtbar werden, möchte die öffentliche Agenda und ihre Auslegung wieder bestimmen. Der Impuls, ihm im modernen Sat1 der Kostensenker und Formatschleifer zu erleben, ist um ein Vielfaches stärker, als ihn im Ersten einzuschalten. Davon wird Sat1 profitieren. Schmidt ist immer auch Sendermarketing. Und packt ihn über eine erfolgreiche Anfangszeit noch mehr Ehrgeiz, kann es sein, dass er wieder viermal in der Woche auf die Bühne zu seinem Schreibtisch geht.

Zurück bleibt die ARD mitsamt ihren Intendanten, die sich gerade in ideologischen Debatten über einheitliche Sendeplätze verstrickt haben und ein Übermaß an Talkshows in eine Programmleiste zu pressen versuchen. Schmidt war ihnen nicht mehr wichtig. Erst recht nicht mehr, als sie Günther Jauch, Schmidts Kumpel im Geiste, verpflichtet hatten für die politische Gesprächsrunde am Sonntagabend. Jauchs Transfer solle das Erste in der Summe nichts kosten, wurde verkündet. Schmidt wusste, was zu tun war und kündigte. Jetzt bleibt das Moderatorenbudget, wie es war. Darüber hat sich Harald Schmidt wahrscheinlich amüsiert.

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