Der Bezahlsender Sky will die Late-Night-Show von Harald Schmidt im März kommenden Jahres einstellen. Das bedeutet, dass Harald Schmidt nun in die Phase eintritt, die schon Helmut Schmidt und in gewisser Weise auch Willy Brandt zu wirklich großen Männern gemacht hat. Er wird Bücher schreiben, in denen es von schmierlappigen Programmdirektoren und willfährigen Praktikantinnen wimmelt; er wird Interviews geben, die uns müde gewordenen Fernsehzuschauern erläutern, warum wir genau die Programme verdient haben, die wir uns täglich ansehen müssen. Und er wird künftig wieder von den Öffentlich-Rechtlichen bezirzt, die ihn wollen und nicht das schlimme Kabarettzeug.
Nein, er wird nichts von alldem tun. Weil er sämtliche Phasen, die ein öffentliches Orakel durchleben oder im besten Sinn: durchlabern kann, hinter sich hat. Dass die Zeit von Harald Schmidt vorbei ist, hat nichts damit zu tun, dass er in den letzten Jahren schwächer geworden ist oder dass der Mann lustlos und wohlstandsarrogant geworden wäre. Schwäche, Lustlosigkeit und Arroganz gehörten von Anfang an genauso zu Schmidts Arbeitsethos wie die an den amerikanischen Stand-up-Comedians und an Thomas Bernhard geschulte Weltverachtungs-Caprice, die in den Neunzigerjahren so ungeheuerlich neu und befreiend wirkte.
Es waren die Jahre, in denen man vom Kabarett, das Schmidt ja auch im klassischen Sinn - am Düsseldorfer Kom(m)ödchen - betrieben hatte, die ernste, sozialdemokratisch gewürzte Zeitkritik gewohnt war. Schmidt hat den moralischen Eifer parodiert; er hat sich zum perfiden Volkspädagogen gemacht, der ein großes, aufregendes Spiel mit der Moral, der Schuld, der Geschichtsverantwortung und allem, was schwer auf der deutschen Seele lag, trieb. Wenn er Hitler im Führerbunker gab, dann wusste man als gelehriger Guido-Knopp-Fernschüler: Hitler im Führerbunker gehört eben leider auch zum deutschen Unterhaltungswesen wie Peter Frankenfeld in "Musik ist Trumpf" und Wim Thoelke im "Großen Preis".
Harald Schmidt ist in jenen Jahren wie kein zweiter Fernsehkünstler zu einer Kulturinstanz geworden - eine Karriere, die auf der sehr verbreiteten, aber selten zugegebenen Sehnsucht nach der Schamverletzung beruhte. Und die natürlich auch ihren Grund darin hatte, dass die Fernsehzuschauer große Freude an Solitären im Showgeschäft haben. Interessanterweise lieben sie am meisten jene, die sich eher kühl und zynisch geben und die Liebe des Publikums in fabelhaften Spott ummünzen: Hans Joachim Kulenkampff, Rudi Carell und eben auch Harald Schmidt.
Aus der Endlosschleife herausgefieselt
Nein, die Zeit von Harald Schmidt ist ganz einfach deshalb vorbei, weil die Harald-Schmidt-Story zu Ende erzählt ist. Man weiß inzwischen, dass großer, intelligenter Witz nicht besser zu machen ist. Im WDR-Gespräch mit Christine Westermann hat Schmidt vor wenigen Wochen im Hinblick auf mal ekstatische, dann wieder schmallippige Kritiker gesagt, die Kunst bestehe darin, die Sache weiter zu treiben, wenn die Hymnen ausbleiben. Nun sind in seinen beiden Sky-Jahren selbst die Verrisse ausgeblieben. Und womöglich muss ein Sender, wenn er sich nicht zerfransen will, einen Moderator, der sich in der Endlosschleife eingerichtet hat, irgendwann aus dieser Schleife herausfieseln.
Sky-Programmchef Gary Davey und Produzent Fred Kogel rufen noch etwas von "großartigem Job", zwei tollen Jahren und Meilenstein hinterher. Schmidt sagt knapp "Okay" - und in ein paar Tagen ist Weihnachten.