Süddeutsche Zeitung

"Harald Schmidt Show" bei Sky:Dandy im versteckten Winkel

Wo "Tittenschlampe" wie "Fahrrad" klingt: Harald Schmidt ist mit seiner Late-Night-Show bei Sky in die zweite Staffel gestartet. Revolutionär ist das Konzept der Sendung längst nicht mehr. Trotzdem ist es schön, dass Schmidt noch da ist.

Von Matthias Kohlmaier

Wer interessiert sich eigentlich noch für Harald Schmidt? Der Mann ist erst in der ARD (mit Verstehen Sie Spaß?), dann bei Sat 1 (mit der Harald Schmidt Show), dann wieder bei der ARD (mit Harald Schmidt und Schmidt & Pocher) und dann wieder bei Sat 1 (mit der Harald Schmidt Show) nach unterschiedlich langen Sendephasen gescheitert. Und jetzt spielt er seinen Stiefel bei Sky herunter, meist nahezu ohne Zuschauer. Am Dienstag ist Schmidt mit seiner Late-Night-Show bei dem Pay-TV-Sender in die zweite Staffel gestartet.

Und trotz all der Misserfolge, trotz der Weigerung, seine Sendung nur ein kleines bisschen zu verändern und weiterzuentwickeln, ist Harald Schmidt ein Grandseigneur des deutschen Fernsehens geblieben. Der 56-Jährige ist für viele Fans so etwas wie die personifizierte gute alte Zeit, als der Liter Sprit noch 50 Pfennig gekostet hat. Zurecht? Nach der ersten Episode lautet die Antwort: Geschmackssache.

Denn noch etwas ist über die Jahre gleichgeblieben: Es gibt nur zwei Meinungen bezüglich Harald Schmidt und seiner Art, eine Show zu moderieren. Gott der gepflegten Ironie, rufen die einen; eitler, überbezahlter Fatzke, motzen die anderen. Und tatsächlich trug Schmidt auch am Dienstag mit seinen glitzernden Manschettenknöpfen, der randlosen Brille, der grauen Krawatte mit passendem Einstecktuch diese dandyhafte Spießbürgerlichkeit vor sich her, die man nur lieben oder hassen kann.

Wie immer

Am Ablauf der Show hat sich derweil genausoviel geändert wie an Schmidts Auftreten. Nämlich nichts. Zu Beginn betritt der Moderator das immergleiche Studio 449 in Köln, liefert stehend ein paar sarkastische Bemerkungen zum Tagesgeschehen ("Die Grünen sind mit diesem Pädophilieskandal jetzt auch für mich als Katholik wählbar"). Danach spielt er sich am Schreibtisch sitzend eine Weile die knochentrockenen Zotenbälle mit Dauer-Sidekick Olli Dittrich zu. Ein Beispiel:

Schmidt: "Hat dich das überrascht, dass man Fink beim HSV rausgeschmissen hat?"

Dittrich (sich vorneigend und lächelnd den Kopf schüttelnd): "Ich habe seinen Anzug an."

Später kommt mit Autorin/Moderatorin Charlotte Roche ein dankbarer Gast, mit dem sich im Gespräch über "Feuchtgebiete" die Möglichkeit zu ein paar Schlüpfrigkeiten bietet. Am Ende eines Pseudo-Flirts sagt Schmidt zu ihr: "Ich finde so ein hochgeschlossenes Kleid viel geiler als wenn wir hier so 'ne kleine Tittenschlampe reingeschleust bekommen."

Staatsmännisch vorgetragener Grenzübertritt

Begriffe wie "geil" und "Tittenschlampe" können seit etwa 20 Jahren gefahrlos selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesagt werden, ohne nur einen Mini-Skandal auszulösen. Die Komik eines Harald Schmidt - und darin ist er unübertroffen - macht etwas anderes aus. Bei ihm klingen "geil" und "Tittenschlampe" als würde er "toll" und "Fahrrad" sagen. Die Kunstfigur Schmidt kennt keine Tabus und muss sich deshalb nach einem Kraftausdruck nicht Mario-Barth-haft beömmeln. Schmidt moderiert einfach weiter.

Revolutionär ist das nicht und Stadien hat Schmidt damit vor Jahren schon via Free-TV nicht mehr gefüllt. Zum Glück ist Sky nach eigenen Angaben die Quote egal, einer wie Harald Schmidt macht sich ohnehin nichts daraus. Er wird weitermachen mit seiner Mischung aus geplanter Boshaftigkeit und staatsmännisch vorgetragenem Grenzübertritt. Dabei muss man ihm nicht unbedingt zusehen. Aber es ist schön zu wissen, dass es ihn in einem versteckten Winkel der deutschen TV-Landschaft noch gibt.

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