Hape Kerkeling wird 50:Als liefe immer noch "Klimbim"

Hape Kerkeling: Keine Geburtstagsshow!

Schlämmer Typ: Hape Kerkelings Lokalreporter-Kunstfigur mit Schlagersänger Costa Cordalis,"Dschungelkönig" Joey Heindle und Tapsi.

(Foto: ZDF)

Hape Kerkeling gratuliert Hape Kerkeling zum Geburtstag. "Keine Geburtstagsshow" beschwört eine Fernsehwelt herauf, als der kleine Hape selbst noch vor der Glotze hing. Und da hängt er heute noch fest - nur auf der anderen Seite des Bildschirms.

Von Christopher Schmidt

Wer Hape Kerkelings Bestseller "Der Junge muss an die frische Luft" gelesen hat und nun den Film sieht, der in Zusammenarbeit mit Gero von Boehm zu seinem 50. Geburtstag entstanden ist, kommt kaum um den Schluss herum, dass die Zeit für Kerkeling 1973 stehen geblieben sein muss, und Zeit heißt in seinem Fall: Sendezeit. Es war in den großen Ferien, als der achtjährige Hape eines Abends so lange fernsehen durfte, wie er wollte, weil seine Mutter sich im Nebenzimmer mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben nahm.

Sein Trauma ist im Film nicht noch einmal eigens Thema. Kerkeling sagt dort nur, der frühe Verlust habe ihn gelehrt, dass es im Leben keine Garantien gibt, und das habe ihn in gewisser Weise angstfrei gemacht, was sein Berufsleben angeht. Angstfrei auch dann, wenn er einmal ganz tief in den Kitschtopf greife wie in diesem Jahr, als er Gesangsstunden nahm, um bei der Verleihung der Goldenen Kamera mit Hits der Siebzigerjahre als nostalgische Schlagerschleuder aufzutreten. Seine Mutter, so Kerkeling, habe diese Lieder geliebt, und für sie sei er spätberufen eben auch noch Schlagersänger geworden.

Wenn man diese Sätze hört, gewinnt man den Eindruck, Hape Kerkeling kreise tatsächlich in einer Zeitschleife aus Fernsehklamauk und Hitparaden-Schunkelseligkeit, als sei jener Abend damals, da im Fernsehen Klimbim lief, nie vergangen, als werde er immer noch gehetzt von den Dämonen seiner Kindheit. TV-Parodien mit dem Kochlöffel als Mikro dienten dem kleinen Hape dazu, die eigene Mutter davon abzuhalten, den letzten Schritt zu tun, als hinge es allein von seiner Performance ab, wer als Sieger von der Bühne geht, der Tod oder der Narr.

Und hier steckt, so bewegend seine durch den biografischen Bruch beglaubigte Berufung auch ist, ein Problem. Denn für ihn scheint das Fernsehen ein gefrorener Moment zu sein, bestehend aus jenen ewigen 90 Minuten Dalli Dalli oder Der große Preis, als die Welt noch in Ordnung war: seine Welt. Früh bewarb er sich beim Talentschuppen, so Kerkeling, und wurde von Michael Schanze weggeschickt, er sei zu jung. In Wahrheit aber war er ein 19-jähriger Greis, als er 1983 debütierte, ein Methusalem, nicht an Jahren, sondern an Lebenserfahrung. Im Buch heißt es, seine Rollen seien für ihn "quasi kurze Wochenendausflüge von meinem Selbst".

Überraschungsgäste, Backstage- und Insiderscherze beschwören die alte Fernsehwelt

Die etwas demonstrative Betonung des Profi-Prinzips mag auch ein Stück weit Selbstschutz eines Menschen sein, der sich freimütig zu seiner "eigenen Mitwirkung" am Aufgefressenwerden vom Showbiz bekennt. Der Geburtstagsfilm jedenfalls ist ein Beispiel dafür, wie man Person und Persona gleichzeitig miteinander verbinden und trennen kann. Denn, so die Idee, Kerkeling schwänzt - einen "Mörderstress", typisches Kerkeling-Wort, vorgebend - die große Überraschungsgala im Berliner Friedrichstadtpalast zu seinem 50., einem Alter, in dem man sich gemeinhin eine Harley, eine neue Hüfte oder eine Brasilianerin zulege.

Im "Hamsterrad des Humors"

Während die Proben auf Hochtouren laufen, nascht er am Rand einer Kuhwiese in Oberschöneweide Fingerfood aus der Tupperdose. Für den künstlerischen Metabolismus ist Barbara Schöneberger zuständig. Als Conférencière der Show ist sie sich für keinen Dekolleté-Scherz zu schade. Einmal legt sie, sehr schön am Seil über der Bühne hängend und von den Bühnenarbeitern vergessen, eine Helene-Fischer-Parodie hin und dichtet deren Hit "Atemlos" auf ihre Luftnummer um. Eingestreut sind Ausschnitte aus Kerkelings Auftritten als Hannilein, Königin-Beatrix-Double und "Hurz"-Kammersänger, Höhepunkte der Show Total normal, sowie Einspieler, die ihn auf den Spuren seiner Herkunft zeigen, etwa vor dem Lebensmittelladen von "Omma" Änne in Herten-Schertenbeck, für ihn Kindergarten-Ersatz und Vorschule der Menschenbeobachtung.

Kerkeling treibt, mit Schwester und Stiefmutter über das Fotoalbum der Familie gebeugt, Selbstexegese - "Wie war ich eigentlich so als Kind?" -, schwelgt noch einmal in alten Zeiten mit den Mitstreiterinnen der Theater-AG und kehrt nach Santiago de Compostela zurück, Ziel seiner Bestseller gewordenen Wanderungen zu sich selbst. Undercover aber mischt er natürlich trotzdem ebenso kräftig wie multipel mit im Friedrichstadtpalast. Er spielt die madamig-aufdringliche Gesellschaftsreporterin aus München, die schon die passende Titelzeile textet für das definitive Enthüllungsinterview mit dem privaten Kerkeling, dem "traurigen Clown" im "Hamsterrad des Humors".

Und er gibt den regieführenden Pawlatschen-Avantgardisten, der das Stationendrama eines "Pilgers des Lachens" im Geiste der Nouvelle Vague auf die Bühne bringen will. Als angeblicher Kerkeling- und Sanitärgala-Impresario ist er schließlich der berlinernde Vokuhila-Bolle, seines Zeichens Lizenznehmer eines zu promotenden Energy-Drinks, "Nummer 4 in Tschechien".

Mit Überraschungsgästen, Backstage- und Insiderscherzen bis hin zum Wurfzwerg, der um Schonung fleht, er habe "Rücken", feiert sie fröhliche Urständ, die alte Fernsehwelt von Hallervorden und Millowitsch - und wäre Hape Kerkeling nicht so gut, könnte man meinen, in diesem Limbus der Flimmerkistengötter, deren Witze sich noch auf Mehlschwitze reimten, würde kein 50., sondern ein 80. Geburtstag gefeiert. In seinem Spielfilm Kein Pardon von 1993 spielte Kerkeling einen Komparsen, der Heinz Schenk zusammenfaltet, weil der auf der Bühne mal wieder alles falsch macht. Ein Wunder, schreibt er im Buch, dass er in dieser kaputten Branche halbwegs heil geblieben sei und nicht aussehe wie Horst Schlämmer. Der Film zeigt, warum das kein Wunder ist: weil Hape Kerkeling, der Meisterschüler von Opas Fernsehen, nach wie vor im Jahr 1973 festhängt. Nur heute auf der anderen Seite des Bildschirms.

Keine Geburtstagsshow!, ZDF neo, Samstag, 20.15 Uhr, ZDF, Sonntag, 22 Uhr.

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