Guttenberg-Rücktritt: Pressestimmen:"Der letzte Ausweg eines in die Ecke Gedrängten"

"Bild" trauert, bei der "Welt" hält sich das Mitleid in Grenzen und für die "NZZ" kommt der Rücktritt zu spät: Die Presse über den Guttenberg-Abgang - und was Justin Bieber damit zu tun hat.

Die Startseite ist überwiegend schwarz. Staatstrauer, sozusagen. Ein Mann füllt den gesamten Bildschirm aus. Es ist der Mann, der seit Tagen die Schlagzeilen beherrscht und heute ganz besonders. "Guttenberg Rücktritt", steht da in großen roten Lettern. Eine Bildschirmhöhe für die Top-Meldung des Tages hat die Internetausgabe der Bild-Zeitung für die Nachricht vom Rücktritt des Verteidigungsministers reserviert, zu dieser Zeit laufen die ersten Eilmeldungen der Nachrichtenagenturen über den Ticker.

Guttenberg, Bild.de

Bild.de betrauert den Abgang von Karl-Theodor zu Guttenberg.

(Foto: Screenshot)

Auch wenige Minuten später, bei der Rücktrittsrede von Karl-Theodor zu Guttenberg, sind die Bild-Reporter ganz nah dabei. Sie sehen, dass die Mitarbeiter des Ministeriums "Tränen in den Augen" haben. Dass der CSU-Politiker "gefasst" wirkt, aber auch "abgekämpft" aussieht. "Noch vor wenigen Wochen war Guttenberg als Kanzler im Gespräch gewesen", jammert die Redaktion ihrem Lieblingsminister nach.

Dann schickt das für die Verteidigung des Ex-Ministers zuständige Fachorgan Nikolaus Blome vor, den talkshowerprobten Leiter des Hauptstadtbüros. Zufrieden könne niemand mit dem Rücktritt sein, meint dieser in einem Kommentar. Denn: "Mit Guttenberg verliert die gesamte Politik nämlich einen, der die Menschen eben für diese Politik begeistern konnte." Fast schon persönlich beleidigt klingt Blomes letzter Satz: "Nun sollen die, die Guttenbergs Rücktritt wollten und bekamen, erklären, ob die Politik in Deutschland ohne diesen Minister unter dem Strich wirklich besser da steht."

Ist das vorläufige Ende von Guttenbergs Politik-Karriere tatsächlich Resultat einer Hetzjagd linker Journalisten? Nein, sagt Thomas Schmid, der Chefredakteur der Welt, die wie Bild im Axel-Springer-Verlag erscheint. "Man kann es drehen und wenden wie man will: Daran ist Karl-Theodor zu Guttenberg allein Schuld." Der CSU-Mann habe auf Zeit gesetzt und zu spät erkannt, dass auch "in Zeiten gesunkener Moralstandards seine Doktorcausa letztlich doch nicht zu einer Partei passt, die - lang ist's her - in der Tradition deutscher Bürgerlichkeit wurzelt." Schmids Fazit: "Schade, dass ein guter Lauf so brutal gebrochen wurde. Gut, dass die Dissertationsaffäre nicht als Kavaliersdelikt durchging."

Auch beim Berliner Tagesspiegel hält sich das Mitleid mit Guttenberg in Grenzen. Zu Fall gebracht habe sich der Minister ganz allein. "Er ist kein Opfer von Intrigen und auch kein gehetztes Reh, das die Meute schließlich erlegt hat", heißt es in einem "Kontrapunkt" auf der Internetseite. Der Anstand hat gesiegt, schreibt dort Malte Lehming. "Das Wertgefüge ist nicht zerbrochen, sondern erneuert worden." Der Preis dafür jedoch sei hoch, vor allem für die Union. Wer soll nun die Hallen füllen, fragt Lehming. "Röttgen, Kauder, Pofalla?"

Auch die Online-Ausgabe des Focus sieht Guttenbergs Rücktritt als "schweren Schlag und Befreiung zugleich". Befreiung, weil nicht weniger auf dem Spiel stand als die "Glaubwürdigkeit der bürgerlichen Kräfte". Schwerer Schlag, weil Guttenberg den Politikbetrieb wieder "frisch und authentisch" erscheinen ließ. "Ein vergleichbares Talent ist nicht in Sicht", klagt Focus-Online.

Die Rheinische Post nimmt die Rücktrittsrede Guttenbergs auseinander - und vermisst ein klares Schuldbekenntnis des Ex-Ministers. Guttenberg habe sich selbst "fast als Opfer" dargestellt, so lautet die Interpretation von Online-Chefredakteur Rainer Kurlemann: "Er tritt nicht zurück wegen eventueller Verfehlungen, sondern weil er den Kampf nicht mehr weiter fortführen will - und wohl auch nicht mehr kann." Mit aller Kraft versuche Guttenberg, das Bild des ehrenhaften Ministers zu retten. "Wenn er den Kräften der Politik nur dann gewachsen wäre, wenn er seinen Charakter verändere, dann wäre schon das ein Grund zurückzutreten. Guttenberg bleibt also charakterfest", schreibt Kurlemann.

Von einem "Ikarus" ist bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) die Rede. Guttenberg und seine Verehrer (!) hätten unterschätzt, wie sehr die Affäre um seine Doktorarbeit den "Kernbereich bürgerlichen Selbstverständnisses traf".

Auch die Kanzlerin ist nun angeschlagen, schreibt die FAZ. Ihr Versuch, "Guttenberg dadurch im Amt zu halten, dass sie Politik und Wissenschaft unterschiedliche Tugendsätze zumaß", sei ein großer Fehler gewesen. "Mit diesem gescheiterten Entkopplungsversuch holte sie die ganze Empörung der wissenschaftlichen Welt in die politische Auseinandersetzung", kritisiert die FAZ. Und: "Die Kanzlerin wärmte mit diesem Zug aber auch wieder die Frage auf, wie es denn um ihren eigenen Wertekanon bestellt sei."

Reaktionen aus dem Ausland - und wie Justin Bieber ins Spiel kommt

Auch im Ausland ist die Causa Guttenberg ein Thema. In Frankreich, das gerade den Rücktritt von Außenministerin Michèle Alliot-Marie diskutiert, verspottet die linksgerichtete Liberation Guttenberg als Minister "Copier Coller" (Copy&Paste). Guttenberg reagierte "wie ein ertappter Dopingsünder", stichelt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) in ihrer Online-Ausgabe. 88 Zeilen aus einem Text der NZZ-am-Sonntag-Autorin Klara Obermüller für seine Doktorarbeit übernommen, nun meckert die Zeitung, sein Rücktritt käme viel zu spät: "Es ist nun nicht mehr der aufrechte Schritt eines Mannes, der einen Fehler eingesteht und die Konsequenzen daraus zieht. Es ist inzwischen nur mehr der letzte Ausweg eines vollkommen in die Ecke Gedrängten."

"Goodbye Guttenberg" ruft fröhlich der Wiener Standard dem zurückgetretenen Minister hinterher - und mutmaßt: "Merkel hat nun ein Problem, vor allem hinsichtlich des Superwahljahres in Deutschland. Sie dachte vermutlich, dass der Schaden am geringsten sei, wenn sie sich hinter Guttenberg stelle. Sie hatte ihm ja in der vergangenen Woche den Rücken gestärkt, indem sie meinte, sie habe ja keinen Wissenschaftler eingestellt, sondern einen jungen, fähigen Minister. Sein Rücktritt wird sie und der Partei jetzt vermutlich mehr Stimmen kosten."

Im britischen Guardian kommt ein anonymer CSU-Politiker zu Wort, der über Guttenberg sagte: "Er war ein Dandy, kein Politiker." Und oe24.at, das Internetportal der Tageszeitung Österreich, textet: "Schummel-Minister Guttenberg tritt zurück."

Diskutiert wird der Fall auch in Spanien. Die rechtskonservative Tageszeitung ABC titelt "Google bringt Guttenberg zu Fall" und ist überzeugt, der Widerstand der Internetgemeinde habe den Minister letztlich gestürzt. Das Web sei mittlerweile in der Lage, eine erfolgversprechende Karriere wie die des Ex-Ministers ins Gegenteil zu verwandeln. Für die konservative El Mundo hingegen ist klar: Der offene Brief von 30.000 Wissenschaftler hat den Baron gestürzt.

Jede Menge Häme schlägt dem Ex-Minister von der linksliberalen Tageszeitung El Pais entgegen, die Guttenberg als "barón rico y copión" ("reichen Baron und Abschreiber") bezeichnet.

Heftig spekuliert wird über den möglichen Nachfolger von Karl-Theodor zu Guttenberg. Während die Rheinische Post immerhin weiß, wer NICHT neuer Verteidigungsminister wird (Peter Ramsauer) und den bisherigen Innenminister Thomas de Maizière in Stellung bringt, werden in der ARD der bisherige Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt gehandelt.

Und noch einen Kandidaten gibt es, der vom Satireblatt Titanic ins Spiel gebracht wird: "Noch jünger! Noch beliebter! Noch reicher!" So steht es auf der Website in schönster Bild-Sprache. Derjenige, der auf dem Foto zu sehen ist, dürfte allerdings höchstens Außenseiterchancen auf den Posten des Verteidigungsministers haben.

Sein Name: Justin Bieber.

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