"Günther Jauch" nach der Regierungsbildung:Unter Ausschluss der Verlierer

´Günther Jauch" - Merkels neue Mannschaft

Gut gelaunt bei Jauch: die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen

(Foto: dpa)

Zwei seelenverwandte Ministerinnen und ein selbstbewusster Oppositionsführer: Mit Ursula von der Leyen und Andrea Nahles nehmen bei "Günther Jauch" nur Gewinnerinnen der Regierungsbildung Platz. Dagegen kommt nicht einmal der Linke Gregor Gysi an.

Eine TV-Kritik von Martin Anetzberger

Es war Günther Jauchs halbherziger Versuch, einen Konflikt zu schüren, der nach der Besetzung des Kabinetts Merkel III nie das Potenzial hatte, tatsächlich einer zu werden. In der letzten Ausgabe seiner Polit-Talkshow vor der Weihnachtspause setzte er die künftige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und ihre Nachfolgerin auf dem Posten der Arbeitsministerin, Andrea Nahles (SPD), nebeneinander.

Konfliktpotenzial hat dieser Wechsel nicht, weil zu erwarten war, dass die SPD das Arbeitsministerium beanspruchen würde. Außerdem schreibt von der Leyen mit ihrem neuen Amt Geschichte: Als erste Frau leitet sie das Verteidigungsministerium. Die Tatsache, dass ihre drei Vorgänger Thomas de Maizière, Karl-Theodor zu Guttenberg und Franz Josef Jung erhebliche Probleme hatten, prallte an von der Leyen ab. Und so lachten die beiden Frauen sich gegenseitig an und zeigten sich zunächst als zwei Seelenverwandte, die sich endlich gefunden haben und ihre Vorfreude auf die gemeinsame Regierungsarbeit ins Land hinaustragen wollen.

Sogar Jauchs gute Frage, ob sie denn überhaupt etwas von Verteidigungspolitik verstehe, versuchte von der Leyen mit dem scherzhaften Kommentar "Ich habe nicht gedient" wegzulachen. Als der Moderator allerdings auf einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Frage bestand, hielt sie einen Kurzvortrag über das neue außenpolitische Selbstbewusstsein Deutschlands und seine sich ändernde Rolle als Bündnispartner in der Nato. Dieser Prozess ist allerdings spätestens seit Deutschlands Teilnahme am Kosovo-Krieg 1999 deutlich vorangeschritten.

Dann stellte sie ihre Kompetenzen als Mutter von sieben Kindern heraus - die müssen sogar als Qualifikation für das Amt der Verteidigungsministerin herhalten - und erklärte, sie wolle sich um das Wohl der Soldaten und ihrer Familien kümmern und für eine angemessene Betreuung von Soldaten sorgen, die mit psychischen Problemen aus Kriegsgebieten nach Hause zurückkehren. Von der Leyen, die Beschützerin aller Soldaten und ihrer Familien.

Lauter Sieger, keine Verlierer

Gregor Gysi nutzte die Kinder für einen Appell zu einer pazifistischen Außenpolitik, schließlich könne ja niemand wollen, dass die eigenen Kinder in den Krieg zögen. Der Linke-Fraktionschef wünschte von der Leyen "Mumm", sie solle ruhig auch mal "Nein sagen". Ansonsten wirkte der quirlige Redner wie ein Duracell-Häschen, das das Ende des Wahlkampfes vertrommelt hat.

Neben Gysi hatte Jauch noch zwei Journalisten eingeladen: ARD-Mann Ingo Zamperoni und die Zeit-Redakteurin Elisabeth Niejahr.

Angesichts der interessanten Randaspekte der Regierungsbildung eine vorsichtig formuliert merkwürdige Zusammenstellung. Da saßen also zwei Journalisten in der Sendung, zusammen mit drei Politikern, die allesamt als Sieger aus der Bundestagswahl beziehungsweise der Koalitionsverhandlungen hervorgegangen waren. Gysi wird Oppositionsführer im Bundestag, und Nahles und von der Leyen haben wichtige Kabinettsposten erhalten.

Wo aber waren die Verlierer? Zum Beispiel die CSU, deren Innenminister Hans-Peter Friedrich zum Agrarminister degradiert wurde und deren Verkehrsminister Peter Ramsauer aus dem Kabinett fliegt - außerdem erhielt sie noch das Entwicklungsministerium. Und selbst der einzige christsoziale Gewinner, Alexander Dobrindt als Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, war nicht da. Er wird allerdings seine gesamte Aufmerksamkeit darauf verwenden müssen, der Kanzlerin ein Konzept für die Pkw-Maut vorzulegen, das mit EU-Recht vereinbar ist und die deutschen Autofahrer nicht zusätzlich belastet.

Debatte ohne Gegner

Vor dem Hintergrund, dass sie nicht im Bundestag vertreten sind, war die Abwesenheit von Gästen aus AfD und FDP nachvollziehbar. Dass aber auch von den Grünen niemand in Jauchs Sendung saß, ist bedauerlich. Schließlich ging es im zweiten Teil der Sendung noch einmal um eine kritische Würdigung des Koalitionsvertrags.

Die Diskussion um die Finanzierung der schwarz-roten Vereinbarungen führte ins Leere. Ein zu komplexes Thema, als dass es in ein paar Minuten TV-Debatte abgehandelt werden könnte. Die ARD entschied sich für einen Einspieler, in dem einer der Wirtschaftsweisen Zweifel an der Finanzierbarkeit der Koalitionspläne anmeldete. Von der Leyen und Nahles wischten diese einfach vom Tisch. Alle Pläne seien gegenfinanziert, sagten sie.

Nahles ergänzte, schließlich hätten die "solidesten Politiker" überhaupt - Wolfgang Schäuble (CDU) und Olaf Scholz (SPD) - die Verhandlungen geführt. Nun stand also Aussage gegen Aussage, das Thema war erledigt. Erkenntnisgewinn für den Zuschauer: null.

Interessanter wurde es erst wieder, als Jauch die Diskussion auf die steigenden Sozialabgaben in der kommenden Legislaturperiode lenkte. Hier tat sich Zeit-Journalistin Niejahr hervor. Sie kritisierte die Mütterrente, da sie auch Müttern zugutekomme, die überhaupt nicht auf eine derartige Unterstützung angewiesen seien.

Zamperonis bester Beitrag

Nahles verstummte in dieser Phase einige Minuten vollkommen, wohl auch, weil sie weiß, dass viele potenzielle SPD-Wähler von den steigenden Sozialabgaben betroffen sind. Von der Leyen hingegen verteidigte die Pläne der Koalition energisch. Der demografische Wandel und der zusätzliche Geldbedarf für Pflegeleistungen mache dies nötig.

Mit diesen Argumenten trat sie auch dem Vorwurf entgegen, die jungen Menschen in Deutschland würden durch den Koalitionsvertrag benachteiligt. Der guten Rednerin kam dabei entgegen, dass die Union sich im Wahlkampf darauf konzentriert hatte, keine höheren Steuern zu versprechen. Den Vorwurf, den Rentenbeitragssatz nicht wie gesetzlich vorgesehen zu senken, konnte sie aber nicht entkräften.

Der dreifache Vater Zamperoni rechnete auf Jauchs inszeniert wirkende Nachfrage vor, dass diese große Koalition seine Familie jährlich zweieinhalbtausend Euro kosten werde - Erhöhungen von Sozialabgaben plus gebrochene Wahlversprechen. Wenigstens sah er ein, dass er das als zukünftiger Washington-Korrespondent erheblich leichter verkraften kann als die Durchschnittsfamilie.

Den konstruktivsten Beitrag leistete er, als er die Sendung mit dem Hinweis auf den Beginn der Tagesthemen quasi im Alleingang beendete. Kurz zuvor nämlich hatte Nahles und von der Leyen - angesprochen auf die Gefahren der großen Koalition für die SPD - eine gemeinsame Beste-Freundinnen-Lachattacke ereilt. Es war tatsächlich höchste Zeit aufzuhören.

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