RTL-Sendung "Team Wallraff":Wie weit dürfen Journalisten bei Undercover-Recherchen gehen?

Günter Wallraff wird 75

Investigativ-Journalist Günter Wallraff.

(Foto: dpa)
  • In mehreren Verfahren klagen Menschen gegen die RTL-Sendung "Team Wallraff", darunter Krankenschwestern und Psychiatrie-Patienten, die ohne ihr Wissen gefilmt worden waren.
  • Das Oberlandesgericht Köln kam in einem Fall zu dem Schluss, dass die Aufnahmen unzulässig waren - egal, ob sie gesendet wurden oder nicht.
  • Recherchen von "Team Wallraff" zum Thema Pflege hatten bereits in der Vergangenheit zu Verfahren geführt.

Von Elisa Britzelmeier

Wie weit dürfen Journalisten bei verdeckten Recherchen gehen? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit mehrere Gerichte wegen des RTL-Formats Team Wallraff. Angeleitet und präsentiert von Enthüllungsaltmeister Günter Wallraff, schleusen sich Reporter in Betriebe ein und filmen mit verdeckter Kamera. Ergebnis einer solchen Undercover-Recherche war auch die im März ausgestrahlte Sendung, die sich mit Missständen in geschlossenen Psychiatrien befasst. Zwei Pflegekräfte und ein Patient klagten dagegen - in Teilen erfolgreich.

Ein Reporter, eingeschleust als vermeintlicher Praktikant, hatte die beiden Krankenschwestern ohne ihr Wissen bei der Arbeit gefilmt, anschließend wurden die Aufnahmen offenbar unzureichend verpixelt. Das Landgericht in Leipzig, wo die von RTL beauftragte Produktionsfirma ihren Sitz hat, entschied erstinstanzlich zugunsten der Klinikangestellten. RTL legte Rechtsmittel ein, das Ergebnis steht aus. Die Sendung ist derzeit nicht mehr in der Mediathek verfügbar.

In Köln befasste sich das Oberlandesgericht mit der Klage eines Patienten. Er war vom Wallraff-Team in der Psychiatrie gefilmt worden, sein Fall wurde aber aus der Sendung geschnitten und nicht ausgestrahlt. Dennoch kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Aufnahmen unzulässig waren - egal ob sie gesendet werden oder nicht. Weil RTL sich bereit erklärte, die Aufnahmen zu löschen, gilt der Streit als beendet. Ohne Löschung hätte RTL den Rechtsstreit wohl verloren und muss daher die Kosten tragen, so das Gericht in einer Mitteilung.

Der Anwalt Jan Mönikes vertritt Patienten und Pflegepersonal und spricht von einem "Grundsatzurteil", das für RTL "vernichtend" sei. "Das OLG sagt damit: Nein, ihr könnt nicht im Trüben fischen und einfach drauflos filmen." RTL verteidigt das Format: "Diese Sendung wird weiterhin Missstände aufdecken."

Verdeckte Recherchen sind nicht die Regel, sondern Ausnahmen in der journalistischen Arbeit. Als Grundsatz gilt üblicherweise, dass es ein erhebliches öffentliches Interesse geben muss und über die Undercover-Recherche Informationen erlangt werden, die anders kaum zu beschaffen sind. Festgehalten ist das im Pressekodex, für den Rundfunk gelten vergleichbare Grundsätze. Besonders sensibel ist die Recherche, wenn Privat- und Intimsphäre betroffen sind wie im Krankenzimmer. Kritik hatte es an der Wallraff-Folge bereits gegeben, weil ohne Kenntlichmachung Szenen zusammengeschnitten wurden, zwischen denen ein Tag lag. Auch juristisch ist es nicht die erste Auseinandersetzung um Team Wallraff. Recherchen zum Thema Pflege hatten zu Verfahren geführt, bei denen RTL vor Gerichten teils Niederlagen erlitt und teils Erfolge erreichte.

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