Süddeutsche Zeitung

Britische Medien:Stellenabbau bei "Guardian", BBC und "Daily Mirror"

Im Vereinigten Königreich hat in der Corona-Krise ein Kahlschlag begonnen, der die dortige Medienvielfalt bedroht.

Von Alexander Mühlauer, London

Wie eng Freud und Leid manchmal beieinanderliegen, erlebt die Medienbranche seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Einerseits ist das Informationsbedürfnis so hoch wie selten zuvor; die Zugriffszahlen auf Online-Angebote sind stark gestiegen, viele Leserinnen und Leser haben sich für ein Digital-Abonnement entschieden oder greifen zur gedruckten Zeitung. Andererseits sind die Werbeeinnahmen wegen der Corona-Krise massiv eingebrochen - so sehr, dass viele Verlagshäuser trotz steigender Leserzahlen in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Wie sehr das Geschäftsmodell unter Corona leidet, zeigt sich derzeit in Großbritannien. Im Vereinigten Königreich hat ein Kahlschlag begonnen, der die dortige Medienvielfalt bedroht.

Am Mittwoch kündigte die Guardian Media Group den Abbau von 180 Stellen an. 110 davon sollen in Abteilungen gestrichen werden, die sich um Anzeigen, Marketing und Veranstaltungen kümmern. In der Redaktion der linksliberalen Zeitung sollen 70 Jobs wegfallen. In einem Schreiben an die Mitarbeiter erklärten Chefredakteurin Katharine Viner und Geschäftsführerin Annette Thomas, dass das Medienhaus wegen der Corona-Pandemie mit "unhaltbaren Verlusten" zu rechnen habe, wenn es nicht "entschiedene Maßnahmen" ergreife, um die Kosten zu senken.

Trotz des finanziellen Drucks will die Londoner Zeitung an ihrem Geschäftsmodell festhalten und keine Bezahlschranke einführen. Das Lesen von Texten auf der Guardian-Website soll kostenlos bleiben; Nutzer werden lediglich dazu aufgefordert, einen freiwilligen Beitrag zu leisten, um den Journalismus der Zeitung finanziell zu unterstützen. "Die Strategie der letzten Jahre war die richtige", erklärten Viner und Thomas. Im Geschäftsjahr 2019/20, das im März endete, lagen die Einnahmen der Guardian Media Group bei gut 223 Millionen Pfund (umgerechnet etwa 246 Millionen Euro). Dem Verlag zufolge konnten die finanziellen Beiträge von Lesern die Verluste bei den Werbeeinnahmen ausgleichen. Im Lichte der Corona-Krise dürfte das nun nicht mehr gelingen: Das Unternehmen rechnet im laufenden Geschäftsjahr mit einem Einnahmeverlust von gut 25 Millionen Pfund (umgerechnet etwa 27,6 Millionen Euro).

Nicht nur der Guardian leidet unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Bereits vor einer Woche hatte die größte britische Zeitungsgruppe Reach, zu denen die Boulevardblätter Daily Mirror und Daily Express gehören, einen Stellenabbau angekündigt. Insgesamt 550 Mitarbeiter sollen das Verlagshaus verlassen - das entspricht zwölf Prozent der Angestellten.

Auch bei der BBC steigt der Spardruck: Bereits im Januar hatte die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt erklärt, 450 Stellen in der Nachrichtenredaktion abzubauen. Diese Pläne wurden wegen der Corona-Krise zunächst auf Eis gelegt; jetzt ist klar, dass es dabei nicht bleibt. Am Mittwoch kündigte die BBC an, dass weitere 70 Mitarbeiter ihren Job verlieren werden. Zu den insgesamt 520 gestrichenen Stellen im News-Bereich kommen noch 600 weitere Jobs in den Regionalredaktionen in England, Schottland, Wales und Nordirland. Die BBC beschäftigt derzeit etwa 22 400 Mitarbeiter.

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