Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Kriegserklärung

Prinz Harry klagt wegen des Umgangs mit seiner Frau Meghan gegen die britischen Boulevardmedien - die ohnehin berühmt dafür sind, Grenzen zu überschreiten. Nachsichtiger wird die Presse nun wohl kaum werden.

Von Cathrin Kahlweit

Vor drei Jahren im Herbst hatte Prinz Harry seine Beziehung zu der US-Schauspielerin Meghan Markle bekannt gemacht. Schon wenig später wandte er sich zum ersten Mal enttäuscht, wütend, bitter an die Öffentlichkeit. Seine Freundin sei Opfer einer Welle von Beschimpfungen und Belästigungen, schrieb er, und beklagte sich vor allem über die "rassistischen Untertöne".

Meghan ist das, was man in Großbritannien "mixed race" nennt, sie hat eine schwarze Mutter und einen weißen Vater. Im Netz tobten sich die Trolle mit rassistischen Einlassungen aus. Und die Boulevardmedien, im Königreich omnipräsent, stürzten sich wie die Geier auf Harrys neue Freundin, die so anders war als alle anderen davor. Sie fragten mit scheinbar besorgtem Unterton, wie denn die Queen ein farbiges Enkelkind finden werde, und ob das Volk eine, diese Amerikanerin als Mitglied der königlichen Familie willkommen heißen werde. Zudem wurde versucht, in ihre Wohnung einzudringen, Freunden in den USA wurde Geld für Skandalgeschichten angeboten.

Boulevardmedien sind nie zimperlich, und vor allem die britischen sind berühmt dafür, Grenzen zu überschreiten. Der Skandal um die zum Konzern von Rupert Murdoch gehörende News of the World , die sich - unter anderem durch die Bestechung von Polizeibeamten - illegal Zugang zu den Mobilfunk-Mailboxen von Tausenden Prominenten und Politikern verschafft und diese abgehört hatte, steht exemplarisch für diese Grenzüberschreitung. Offenbar war die Praxis Scotland Yard lange bekannt gewesen, Ermittlungen aus den Nullerjahren führten aber nie zu Konsequenzen. Als der Abhörskandal aufflog, ließ Murdoch News of the World schließen; polizeiliche und parlamentarische Ermittlungen folgten. Bis heute wird vermutet, dass diese Praktiken weitergehen. Und dass es neue Opfer gibt.

Harry und Meghan sind bekanntlich mittlerweile verheiratet. Die Schonfrist für das Paar und sein junges Glück war kurz. Hochzeit und Schwangerschaft wurden noch freundlich begrüßt. Aber dann kam der Umschwung: Der Boulevard beschwerte sich über fehlende Babyfotos. Schrieb, Meghan sei eine "Angeber-Mutter". Harry und seine Frau seien arrogant, weil sie lieber in Afrika als in Großbritannien leben wollten. Sie sei abgehoben. Sie flögen zu viel mit Jets, während sie gleichzeitig ökologische Predigten hielten. Der Honeymoon zwischen dem Prinzen, der Herzogin und der Yellow Press war zu Ende.

Es heißt, im Palast habe man dem Paar von den Klagen abgeraten

Nun hat Harry die Reißleine gezogen, und Kenner des Königshauses nennen den Schritt "präzendenzlos". Er hat Klage gegen zwei Zeitungsverlage eingereicht: wegen des illegalen Abhörens von Mailboxen durch den Mirror und wegen der Veröffentlichung eines persönlichen Briefes von Meghan an ihren Vater, den die Mail on Sunday in Auszügen abgedruckt und abfällig kommentiert hatte.

Erneut bat Harry darum, wie schon kurz vor der Verlobung, seine Frau nicht zum Opfer zu machen. Wieder beklagte er die rassistische und feindselige Berichterstattung. Und erinnerte an seine Mutter Diana, die von den Medien ebenso gejagt worden sei. Es heißt, im Palast habe man dem Paar von den Klagen abgeraten. Aber Harry sei beratungsresistent gewesen. Vielleicht ist er auch nur verzweifelt.

Die zwei Verfahren dürften sich lange hinziehen. Britische Medien reagieren empört. Harry ziehe in den Krieg, aber diesen Krieg werde er verlieren, heißt es. Wer von Steuergeldern lebe, müsse sich dem Volk und seinen Erwartungen hingeben. Die Klagen seien ein "Schlag ins Gesicht". Es steht daher zu erwarten, dass der britische Boulevard nicht nachsichtiger werden wird. Im Gegenteil.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2019
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