Süddeutsche Zeitung

Großbritannien: Andy Coulson geht:Wenn der Sprecher einen Sprecher braucht

Der britische Premierminister verliert mit Kommunikationsdirektor Andy Coulson seinen gewieftesten Spin Doctor.

Alexander Menden

Man solle niemanden "für dasselbe Vergehen zweimal bestrafen", meinte der britische Premierminister David Cameron noch zu Beginn dieser Woche. Er werde daher seinem Pressechef Andy Coulson noch "eine zweite Chance geben". Da mehrten sich schon die Gerüchte, Coulson habe, angeschlagen durch einen seit 2005 schwelenden Abhörskandal, freiwillig seine Kündigung angeboten.

Nun haben sich die Gerüchte bewahrheitet: Andy Coulson hat seine zweite Chance nicht wahrgenommen und sein Amt als "Director of Communications" niedergelegt. In einem kurzen Statement sagte Coulson am Freitag: "Leider hat es die fortgesetzte Berichterstattung über meinen alten Job bei den News of the World sehr schwierig für mich gemacht, die 110 Prozent zu geben, die man in dieser Funktion benötigt."

Tatsächlich schien dieser Schritt zuletzt fast unausweichlich. Zu stark war der 43-Jährige wieder in den Dunstkreis jener Ermittlungen gezogen worden, die ihn vor drei Jahren schon einmal einen hoch dotierten Medienposten gekostet hatten. Coulson trat damals als Chefredakteur der Boulevardzeitung News of the World zurück, nachdem einer seiner Reporter, Clive Goodman, der Telefonüberwachung überführt worden war. Goodmans illegale Methoden kamen Ende 2005 ans Licht, als er über Details eines privaten Geschäfts berichtete, das Prinz William mit einem TV-Journalisten abgeschlossen hatte.

Der Reporter wurde verhaftet und bekannte sich schuldig, mit Unterstützung des Privatdetektivs Glenn Mulcaire Telefonate von Mitgliedern der Königlichen Familie belauscht zu haben. Beide wurden im Januar 2007 zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Am selben Tag gaben die News of the World bekannt, Coulson habe seinen Chefposten aufgegeben. Damit wurde auch eine Untersuchung durch den britischen Presserat verhindert.

Andy Coulson behauptet bis heute, von Clive Goodmans Aktivitäten nicht das Geringste gewusst zu haben. Der damalige konservative Oppositionsführer David Cameron hielt diese Unschuldsbeteuerung anscheinend für überzeugend genug, Coulson bereits 2007 zum Chef seines Medienteams zu machen. Sein Boulevard-Instinkt machte Coulson zu einem der wichtigsten Berater Camerons, der ihn auch als Chef der Regierungskoalition bei bedeutenden politischen Fragen zu Rate zog.

Die Abhör-Affäre flammte 2009 wieder auf, als der Guardian meldete, News of the World habe Prominenten, deren Leitungen angezapft worden waren, Geld gezahlt, damit diese von Anzeigen gegen das Blatt absahen. Auch Scotland Yard nahm die Untersuchung wieder auf. Sie ergab, dass nicht nur Royals, sondern auch Politiker, Sportler und Schauspieler abgehört worden waren. Die New York Times zitierte im September 2010 einen ehemaligen News-of-The-World-Mitarbeiter mit der Aussage, Coulson habe als Chefredakteur das Anzapfen von Telefonen "aktiv unterstützt". Vergangenen Dezember wurde der stellvertretende Chefredakteur der News of the World, Ian Edmondson, bis auf weiteres beurlaubt, nachdem die Schauspielerin Sienna Miller eine Klage wegen Telefonspionage im Jahr 2006 angekündigt hatte.

Andy Coulson bleibt bis heute dabei, es sei eine nicht zu beweisende Unterstellung, unter seiner Ägide hätten illegale Abhöraktivitäten zum Handwerkszeug der Zeitung gehört. In seiner Rücktrittsbegründung wiederholte er diese Aussage nun: "Ich stehe zu dem, was ich über diese Vorgänge gesagt habe. Aber wenn der Pressesprecher einen Pressesprecher braucht, wird es Zeit, weiterzuziehen."

Für den Premierminister ist der Rücktritt ein schmerzlicher Verlust. Coulson galt als einer der wenigen, die Camerons Meinung bei Kabinettssitzungen beeinflussen und ihn bei strittigen Themen umstimmen konnten. Die Tories verlieren in Coulson ihren gewieftesten Spin Doctor - und mit einem Jahresgehalt von umgerechnet 165 000 Euro wohl auch ihren bestbezahlten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1049614
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.01.2011/berr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.